Leitsatz (amtlich)
Bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungsaufträgen handelt es sich aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage in Sachsen-Anhalt nicht um vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzessionen, sondern um Dienstleistungsaufträge nach dem sog. Submissionsmodell, die den Regeln des europäischen Vergaberechts unterliegen.
Erfolgt die Auftragserteilung außerhalb eines Vergabeverfahrens, kommt zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes nur eine Neuausschreibung in Betracht.
Verfahrensgang
1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Beschluss vom 23.06.2010; Aktenzeichen 1 VK LVwA 69/09) |
1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Beschluss vom 09.06.2010; Aktenzeichen 1 VK LVwA 69/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen und die sofortige Beschwerde der Vergabestelle gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 09./23.6.2010 werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin tragen die Beigeladene und die Vergabestelle je zur Hälfte. Ihre eigenen außergerichtlichen Auslagen tragen die Vergabestelle und die Beigeladenen jeweils selbst.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 1.550.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Vergabestelle schrieb zunächst mit Bekanntmachung vom 17.1.2008 (Vergabe-Nr. 38/01/2007 L) einen Auftrag zur Durchführung des Rettungsdienstes (Notfallrettung und qualifizierten Krankentransport) im Wege des offenen Verfahrens auf Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen im Supplement des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften aus. Als Leistungszeit wurde der Zeitraum vom 1.1.2009 bis 31.12.2014 angegeben, bezogen auf den gesamten Rettungsdienstbereich des B. Kreises. Nachdem insgesamt 10 Bewerber, darunter auch die Antragstellerin und die Beigeladene, die Vergabeunterlagen abgefordert hatten, gab lediglich die Beigeladene fristgerecht ein Angebot ab. Dieses Angebot wurde durch die Vergabestelle wegen einer abgelaufenen Versicherungsbescheinigung ausgeschlossen. Daraufhin hob die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit Schreiben vom 20.3.2008 gem. § 26 Nr. 1a VOL/A auf und gab dies europaweit bekannt.
Nach Aufhebung der Ausschreibung führte die Vergabestelle Vertragsverhandlungen mit der Beigeladenen über den identischen Vertragszeitraum, ohne dass dem eine öffentliche Bekanntmachung eines Verhandlungsverfahrens vorausgegangen wäre. Mit Schreiben vom 7.4.2008 forderte sie ausschließlich von der Beigeladenen ein Angebot für den Leistungszeitraum vom 1.1.2009 bis 31.12.2014 an, das unter dem Datum des 14.4.2008 am 23.4.2008 eingereicht wurde. Mit Schreiben vom 23.7.2008 bat die Vergabestelle die Beigeladene aufgrund eines noch nicht geklärten Sachverhalts um eine Verlängerung der Bindefrist bis zum 15.9.2008. Zu einem Vertragsschluss innerhalb dieser Frist kam es aber ebenso wenig wie zu einer weiteren Verlängerung der Frist.
Vielmehr leitete die Vergabestelle ein neues Vergabeverfahren ein. Nach einer einstweiligen Anordnung des VG Halle vom 25.9.2008, die ein an dem vorliegenden Nachprüfungsverfahren nicht beteiligter Mitbewerber erwirkt hatte, schrieb die Vergabestelle mit Bekanntmachung im Supplement vom 17.12.2008 den Auftrag zur Durchführung des Rettungsdienstes erneut im Wege eines offenes Verfahrens aus. Die Leistung wurde in dieser Ausschreibung territorial in die Rettungswache N. (Los A), die Rettungswache B. (Los B), Rettungswache W. (Los C) und Rettungswache Z. (Los D) aufgeteilt. Als Leistungszeitraum wurde der 1.1.2010 bis 31.12.2015 bestimmt.
Auf diese Ausschreibung reichten fünf Bieter, darunter auch die Antragstellerin und die Beigeladene, auf verschiedene Lose ihre Angebote ein. Im weiteren Verlauf stellte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13.5.2009 Nachprüfungsanträge zu drei der vier ausgeschriebenen Lose. Nach mündlicher Verhandlung vom 22.10.2009 vor der Vergabekammer hob die Vergabestelle die streitbefangenen Vergabeverfahren mit Schreiben vom 27.10.2009 ggü. den Bietern auf und begründete dies damit, dass sich die Grundlage der Ausschreibung infolge von Mängeln in der Leistungsbeschreibung wesentlich geändert hätte.
Eine weitere Ausschreibung der Rettungsdienstleistungen fand nicht statt.
Mit Schreiben vom 10.11.2009 erteilte die Vergabestelle der Beigeladenen den Auftrag für die Rettungsdienstleistungen im gesamten Landkreis für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2015 auf Grundlage des Angebots der Beigeladenen vom 14.4.2008. Die übrigen Bieter des vorausgegangenen offenen Vergabeverfahrens wurden über die Zuschlagserteilung nicht informiert.
In Unkenntnis der Auftragserteilung äußerte die Antragstellerin mit Schreiben vom 01.11. und 18.11.2009 ggü. der Vergabestelle weiterhin ihr Interesse am Erhalt der Aufträge über Rettungsdienstleistungen im B. Kreis und bat um Auskunft, wann mit einer Neuausschreibung zu rechnen sei.
Auch auf diese Nachfragen teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit Schreiben vom 19....