Leitsatz (amtlich)

Hinreichende Erfolgsaussicht liegt für die Rechtsverfolgung schon dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der antragstellenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält.

 

Verfahrensgang

AG Magdeburg (Beschluss vom 09.09.2004; Aktenzeichen 222 F 80/04)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Magdeburg vom 9.9.2004 - 222 F 80/04, abgeändert und der Antragstellerin für die beabsichtigte Rechtsverfolgung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus M. zu ihrer Vertretung bewilligt.

2. Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht entstanden.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen gem. § 569 ZPO i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung versagenden Beschluss des AG Magdeburg vom 9.9.2004 (Bl. 43-44 d.A.) ist begründet.

Die Antragstellerin ist bedürftig und die begehrte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, deren es gem. § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf.

Hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO liegt für die Rechtsverfolgung schon dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der antragstellenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 114 Rz. 19). Es muss also aufgrund vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich und darf nicht ausgeschlossen sein, dass die antragstellende Partei mit ihrem Begehren durchdringen wird.

Hier hat die minderjährige, gem. § 1602 bedürftige und auch sonst zweifelsfrei unterhaltsberechtigte Antragstellerin ohne weiteres hinreichend schlüssig dargelegt, dass ihr Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 100 % der dritten Altersstufe gem. § 2 Nr. 3 der Regelbetrag-VO zu § 1612a Abs. 1 BGB zusteht.

Der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage steht insb. nicht die gleichermaßen unsubstantiierte wie nicht nachgewiesene Behauptung des Antragsgegners entgegen, er sei mangels Leistungsfähigkeit bzw. mangels hinreichender Einkünfte nicht in der Lage, den geforderten Unterhalt zu leisten, § 1603 BGB.

Zwar erzielt der Antragsgegner lediglich relativ geringfügige Einnahmen durch Arbeitslosenhilfe oder Tätigkeiten bei einer Zeitarbeitsfirma. Er hat indes nicht ausreichend dargetan, weshalb es ihm nicht möglich ist und möglich gewesen sein soll, eine Tätigkeit zu finden, die ihn finanziell in die Lage versetzt, der Klägerin den gesetzlich geschuldeten Mindestunterhalt zu zahlen.

Der Antragsgegner muss sich daher zumindest so behandeln lassen, als verfügte er über dazu hinreichende Einkünfte. Seine Leistungsfähigkeit bestimmt sich nämlich nicht allein nach seinem tatsächlichen Einkommen, sondern nach den in zumutbarer Weise erzielbaren Einkünften, weil er zur Sicherstellung des Mindestunterhalts gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterliegt, die sich auch, sofern nötig, bei einem vollschichtig Erwerbstätigen auf die Aufnahme einer geeigneten Nebentätigkeit erstreckt (OLG Dresden v. 11.12.2002 - 10 UF 676/02, OLGReport Dresden 2003, 162 = FamRZ 2003, 1206; OLG Hamm v. 1.9.1999 - 11 UF 3/99, OLGReport Hamm 2000, 253 = FamRZ 2000, 1178; Wiedenlübbert, Erhöhte Erwerbsobliegenheit des Barunterhaltspflichtigen, NJW 2002, 337 ff.).

Dabei ist es unbeachtlich, ob der Antragsgegner die Umstände seiner Arbeitslosigkeit selbst verschuldet hat. Denn selbst bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit muss der Unterhaltsverpflichtete alles Zumutbare unternehmen, um durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Die unternommenen Anstrengungen müssen im Unterhaltsprozess konkretisiert werden, und zwar durch eine nachprüfbare Aufstellung von monatlich durchschnittlich 20 bis 30 Bewerbungen, die konkret auf die entsprechenden Stellenangebote zugeschnitten sein müssen; Blindbewerbungen reichen grundsätzlich nicht aus (OLG Naumburg FamRZ 2003, 1022 ff.; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1603 Rz. 38; Kalthoener/Büttner/Nietmann, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl. 2002, Rz. 619, 620). Als Arbeitsloser muss sich der Unterhaltspflichtige intensiv und ernsthaft um eine neue Arbeitsstelle bemühen. Allein die Meldung beim zuständigen Arbeitsamt reicht nicht, um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit Genüge zu tun. Ebenso wenig genügt es, sich auf die Vermittlungsbemühungen durch das Arbeitsamt zu beschränken; der Unterhaltsschuldner muss vielmehr selbständig Arbeitssuche betreiben, dementsprechend sich auf Stellengesuche schriftlich bewerben und ggf. sogar selbst eigene Stellenanzeigen schalten.

Die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast für eine unter Umständen fehlende Leistungsfähigkeit trifft nach der ...

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