Leitsatz (amtlich)
Ein Beschluss, durch den sich ein Gericht für unzuständig erklärt, obwohl die Tatsachen für die Zuständigkeit klar erkennbar sind, hat keine Bindungswirkung, weil die Verweisung willkürlich ist (unter Hinweis auf die Rspr. des BGH, z.B. BGH v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273).
Verfahrensgang
AG Merseburg (Beschluss vom 12.12.2005; Aktenzeichen 2 F 374/05) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht für das streitgegenständliche Scheidungsverfahren wird das AG - FamG - Merseburg bestimmt.
Gründe
Sowohl das AG Merseburg als auch das AG Leipzig, dieses durch Vorlagebeschluss vom 12.12.2005 (Bl. 41/42 d.A.), jenes durch vorhergehenden Verweisungsbeschluss vom 25.10.2005 (Bl. 28 d.A.), haben sich durch rechtskräftige Entscheidungen i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGH v. 5.3.1980 - IV ARZ 2/80, MDR 1980, 564 = NJW 1980, 1282; BGHZ 71, 69) für örtlich unzuständig erklärt. Da das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im vorliegenden Fall der BGH ist, war gem. § 36 Abs. 2 ZPO das zuständige Gericht durch das OLG zu bestimmen, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Das ist für das AG Merseburg als zuerst mit der Sache befasstes Gericht das OLG Naumburg.
Als örtlich ausschließlich zuständiges Gericht ist gem. § 36 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im vorliegenden Fall nach zwingender Maßgabe des § 606 Abs. 2 S. 2 ZPO das AG Merseburg zu bestimmen (1).
Dem gegenteiligen, als objektiv willkürlich zu qualifizierenden Verweisungsbeschluss des AG Merseburg vom 25.10.2005 (Bl. 28 d.A.) kommt entgegen § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO keine Bindungswirkung zu (2).
1. Die örtlich ausschließliche Zuständigkeit des AG Merseburg für das streitgegenständliche Scheidungsverfahren folgt entsprechend der stufenweise geltenden Regelung des § 606 ZPO aus Abs. 2 S. 2 der Vorschrift, da eine vorrangige Zuständigkeit sich weder aus Abs. 1 noch aus Abs. 2 S. 1 ergibt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist der gem. den §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO mit Zustellung der Klage bzw. der Antragsschrift im Scheidungsverfahren nach § 622 ZPO begründete Eintritt der Rechtshängigkeit, die hier mit der Zustellung des Scheidungsantrags am 25.8.2005 (Bl. 5 d.A.) an den Antragsgegner eintrat. Zu jenem Zeitpunkt hatten die Ehegatten unstreitig keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort mehr, noch lebte einer von ihnen mit minderjährigen Kindern zusammen, sodass eine primär zu beachtende Zuständigkeit des FamG gem. § 606 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sein kann.
Mangels Zuständigkeit nach Abs. 1 wäre gem. § 606 Abs. 2 S. 1 ZPO das FamG, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt gehabt haben - das wäre das AG Leipzig gewesen -, nur dann zuständig gewesen, wenn einer der Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Bezirk dieses Gerichts, also in L., noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätte. Das war indes nicht mehr der Fall, da weder die seit längerem in M. wohnende Ehefrau noch der zunächst in L. verbliebene, aber seit einer Havarie im Mai letzten Jahres durchgängig in K. sich aufhaltende Ehemann bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages in der vormaligen Ehewohnung in L. gewohnt hat. Die Abwesenheit des Ehemannes war auch keineswegs, was für eine Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes nicht ausgereicht hätte, nur vorläufiger Natur, sondern entsprach der endgültigen, auch prozessual stets deutlich artikulierten Absicht, das Haus zu veräußern. Der ständige Aufenthaltsort des Antragsgegners, auf den es für den gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 606 ZPO entscheidend ankommt (s. dazu statt vieler Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 606 Rz. 3), war vielmehr, wie von Anfang an mehrfach schriftsätzlich verlautbart (Bl. 12/16 d.A.) und auch der notariellen Vereinbarung der Parteien vom 7.9.2005 (Bl. 19-26 d.A.) zu entnehmen, in der Wohnung A. 22 in der zum Bezirk des AG Merseburg gehörenden Ortschaft K..
In Ermangelung eines Gerichtsstandes nach § 606 Abs. 2 S. 1 ZPO war gem. § 606 Abs. 2 S. 2 ZPO das FamG ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich bei Eintritt der Rechtshängigkeit der gewöhnliche Aufenthaltsort des Beklagten bzw. - im Scheidungsverfahren gem. § 622 Abs. 3 ZPO an seine Stelle tretenden - Antragsgegners befand. Dieser hielt sich, wie ausgeführt, für gewöhnlich und beabsichtigtermaßen auf Dauer in K. auf, das dem Bezirk des damit ausschließlich örtlich zuständigen FamG Merseburg zugeordnet ist.
2. Die demnach kraft Gesetzes ausschließlich örtlich begründete Zuständigkeit des AG Merseburg ist durch den gegenläufigen Verweisungsbeschluss des Gerichts vom 25.10.2005 (Bl. 28 d.A.) nicht aufgehoben worden. Denn der nicht oder bestenfalls höchst unzulänglich begründete und damit in jedem Falle als objektiv willkürlich anzusehende Verweisungsbeschluss entfaltet entgegen § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO keine Bindungswirkung.
Die gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses nach jener Vorschrif...