Tenor

Das Hauptsacheverfahren wird fortgesetzt. Die einstweilige Anordnung des Senats in dieser Sache vom 12.10.2004 wird aufgehoben.

Die Anträge der Antragstellerin vom 24.9.2004 und vom 3.1.2006 werden zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Verfahrens.

 

Gründe

I. Verschiedene Kläger, darunter auch die Firma A., Ltd., haben am 7.11.2003 u.a. gegen die Antragstellerin dieses Verfahrens vor dem United States District Court for the District of New Jersey, Aktenzeichen MDL No. 1514 03-2182 (JBS), eine Schadensersatzklage erhoben, die dort unter der Bezeichnung "In Re: Electrical Carbon Products Antitrust Litigation" geführt wird. Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein Gruppenklageverfahren nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht (sog. "class action").

Die Kläger machen als Sammelkläger die Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften des amerikanischen Rechtes geltend, und zwar für einen Zeitraum zwischen dem 1.1.1990 und dem 31.12.2001. Sie beantragen Schadensersatz in unbestimmter Höhe, wobei die Höhe des tatsächlichen Schadens entsprechend den amerikanischen kartellrechtlichen Vorschriften verdreifacht werden soll (sog. "treble damages").

Die A., Ltd. ist zum Sonderzusteller für eine Zustellung der Gruppenklage an die Antragstellerin dieses Verfahrens bestimmt worden. Sie hat demzufolge die Antragsgegnerin als Zentrale Behörde nach Art. 2 und 3 des sog. HZÜ um die Zustellung der verfahrenseinleitenden Schriftstücke an die Antragstellerin dieses Verfahrens ersucht.

Die Antragsgegnerin hat diesem Ersuchen entsprochen und den Direktor des AG Quedlinburg um die Ausführungen der Zustellung ersucht. Am 1.9.2004 ist die Zustellung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher nach § 179 ZPO bewirkt worden. Die Antragsgegnerin hat den Direktor des AG Quedlinburg allerdings gleichzeitig angewiesen, die Rückleitung des Zustellungsnachweises von der abschließenden Entscheidung des Senats abhängig zu machen, nachdem dieser bereits durch die Antragstellerin angerufen worden war.

Die Antragstellerin macht geltend: Auf dem US-amerikanischen Markt für Kohleprodukte sei es zu Preisabsprachen gekommen. Dadurch benachteiligte Firmen verklagten in der zugrunde liegenden class-action in den Vereinigten Staaten nicht nur die US-amerikanischen Hersteller solcher Kohleprodukte, sondern auch die jeweiligen ausländischen Muttergesellschaften. Damit solle der Druck auf sämtliche Beklagte erhöht und diese sollten zu einem Vergleich gedrängt werden. In der Klage werde jedoch an keiner Stelle dargelegt, wie die Mutterunternehmen der US-amerikanischen Unternehmen an den behaupteten Vorgängen beteiligt gewesen sein sollen.

Damit aber beruhe die Klage gegen die Antragstellerin nicht mehr auf einer substantiellen Grundlage und verstoße deshalb gegen die unverzichtbaren Grundsätze des freiheitlichen Rechtsstaates. Die Zustellung einer solchen Klage sei daher geeignet, die Hoheitsrechte und die staatliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden und die Erledigung des Zustellungsantrags sei aus diesem Grunde gem. Art. 13 Abs. 1 HZÜ abzulehnen.

Sie hat ursprünglich auch beantragt, die Zustellung bis zur Entscheidung des BVerfG in dem Verfahren 2 BvR 1198/03 (BVerfG v. 25.7.2003 - 2 BvR 1198/03, CR 2003, 762) auszusetzen, in dem anlässlich eines anderen Falles das BVerfG Umfang und Grenzen des Art. 13 HZÜ verfassungsrechtlich klären werde. Dem lag zugrunde, dass beim BVerfG eine Verfassungsbeschwerde eines deutschen Unternehmens gegen eine Entscheidung des OLG Düsseldorf anhängig war (BVerfG v. 25.7.2003 - 2 BvR 1198/03, CR 2003, 762 = NJW 2003, 2598 ff. - Napster"; vorgehend OLG Düsseldorf v. 11.7.2003 - I-3 VA 6/03, OLGReport Düsseldorf 2004, 86 = WM 2003, 1587 ff.). Dort war geltend gemacht worden, die Zustellung einer Klage im Sammelklageverfahren (class- action) über einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 17 Mrd. Dollar gefährde wegen mit der Klage verfolgter rechtsmissbräuchlicher Ziele die Grundrechte der Verfassungsbeschwerdeführerin und verletze deshalb die Hoheitsrechte sowie die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. Art. 13 Abs. 1 HZÜ.

Demgegenüber vertrat die dortige Antragsgegnerin den Standpunkt, es sei mit Sinn und Zweck des HZÜ unvereinbar, bereits im Stadium der Klagezustellung in eine detaillierte Prüfung des ordre public oder sogar in eine materielle Prüfung des Klagebegehrens einzutreten, denn Art. 13 Abs. 1 HZÜ solle dem ersuchten Staat nicht die Möglichkeit eröffnen, den im Ausland anhängigen Rechtsstreit nach eigenen Auffassungen zu präjudizieren bzw. Ermittlungen über den Hintergrund, den Anlass und die Berechtigung des Klagebegehrens vorzunehmen. Der Anwendungsbereich der genannten Klausel sei deshalb auf besonders gravierende Fälle beschränkt, in denen die Erledigung des Zustellersuchens eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen der Rechtsordnung des ersuchten Staates mit sich brächte.

Nach Auffassung des BVerfG war die zugrunde liegende Verfassungsbeschwerde n...

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