Leitsatz (amtlich)

Reicht im zivilrechtlichen Parteiprozess eine Partei eine Anlage ausdrücklich nur für das Gericht und nicht für den Gegner zur Akte, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Gericht dem Prozessgegner insoweit die Einsicht verweigert. Es darf allerdings gleichzeitig die Anlage nicht berücksichtigen (Verwertungsverbot). Der Partei wird damit nicht das rechtliche Gehör versagt.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 02.11.2011; Aktenzeichen 36 O 155/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den die Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende Richterin am LG L. und die Handelsrichter D. und B. zurückweisenden Beschluss der 36. Zivilkammer (4. Kammer für Handelssachen) des LG Magdeburg vom 2.11.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. In dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden einstweiligen Verfügungsverfahren begehrt die Verfügungsklägerin, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, mit Ärzten näher bezeichnete Vereinbarungen zu schließen, ihnen für jede Verordnung eines bestimmten Blutzuckermessgerätes eine Vergütung i.H.v. 10 EUR pro Quartal oder für jeden potentiell betroffenen Patienten im Voraus eine Abschlagszahlung in derselben Höhe zu versprechen oder zu gewähren.

Mit Beschluss vom 20.9.2011 hat die 4. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg durch die Vorsitzende die Unterlassungsverfügung antragsgemäß erlassen. Nach Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat am 26.10.2011 Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, zu dessen Beginn dem Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin der Schriftsatz des Verfügungsbeklagtenvertreters vom selben Tag ohne die Anlage "AG3" übergeben worden ist. Zur Anlage "AG3" hatte der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten in dem Schriftsatz erklärt, sie sei ausschließlich für das Gericht bestimmt.

Das Gericht hat sodann in den Sach- und Streitstand eingeführt und auf Zuständigkeitsbedenken hingewiesen, zu denen sich die Parteien erklärt haben. Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin hat noch im Termin mit dem Ziel Akteneinsicht beantragt, Einblick in die Anlage "AG3" zu erhalten. Hilfsweise hat er beantragt, der Beklagten aufzugeben, der Klägerin die Anlage "AG3" auszuhändigen, was der Prozessbevollmächtigte abgelehnt hat. Die Kammer hat die Gesuche um Akteneinsicht oder Übergabe der Anlage mit der Begründung zurückgewiesen, an die Beschränkung durch die Beklagte, die die Anlage mit dem Zusatz "ausschließlich für das Gericht bestimmt" beigefügt hat, gebunden zu sein. Das Gericht sehe sich daher gehindert, die Anlage herauszugeben. Das rechtliche Gehör der Klägerin werde dadurch gewahrt, dass die Kammer die Anlage bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigen werde.

Hierauf hat der Verfügungsklägervertreter die Mitglieder der Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Verfügungsklägerin sei in ihrem rechtlichen Gehör verletzt. Das Vorenthalten von Akteninhalten sei prozessrechtswidrig.

Die abgelehnten Richter haben sich jeweils wortgleich am 26.10.2011 zu dem Ablehnungsgesuch geäußert, indem sie hinsichtlich der Vorgänge in der Verhandlung auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen haben.

Mit Schriftsatz vom 1.11.2011 hat die Verfügungsklägerin die Mitglieder der Kammer aufgrund deren dienstlicher Äußerungen erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die dienstlichen Äußerungen seien unzulänglich und ließen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ablehnungsgründen nicht erkennen.

Die 4. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg hat mit Beschluss vom 2.11.2011 die Ablehnungsgesuche zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die abgelehnten Richter hätten durch die Ankündigung, die Anlage "AG3" unberücksichtigt zu lassen, dem Anspruch der Verfügungsklägerin auf rechtliches Gehör genügt und auch mit ihren dienstlichen Äußerungen keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit gegeben.

Gegen diesen ihr am 7.11.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 8.11.2011 beim LG Magdeburg eingegangene sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin. Die Verfügungsbeklagte habe kein schützenwertes Geheimhaltungsinteresse dargelegt. Die Kenntnis des Inhalts der Anlage könnte die Mitglieder der Kammer auch unbewusst beeinflussen. Verfahrensfehlerhaft hätten sich die abgelehnten Richter zu dem zweiten Befangenheitsantrag nicht dienstlich geäußert.

Die 4. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg hat der sofortigen Beschwerde der Verfügungsklägerin mit Beschluss vom 9.11.2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. § 46 Abs. 2, Alt. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. § 569 Abs. 1 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin ist nicht begründet.

Das LG hat die Ablehnungsgesuche der Verfügungsklägerin gegen die Vorsitzende Richterin am LG L. und die Handelsrichter...

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