Leitsatz (amtlich)
1. Durch einen Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB wird keine gesonderte Anwaltsgebühr ausgelöst; dieser Umstand kann im Rahmen der Gebührenbemessung nach § 14 RVG i.V.m. Nr. 2400 RVG-VV zu berücksichtigen sein.
2. Zur Unangemessenheit eines Gebührenansatzes von 2,5 Gebühren in einem Vergabenachprüfungsverfahren ohne mündliche Verhandlung (Bestätigung der Festsetzung einer 1,8-fachen Gebühr).
Verfahrensgang
Vergabekammer Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen 1 VK LVwA 44/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.847,80 EUR.
Gründe
I. Nach Abschluss des Vergabenachprüfungsverfahrens hat die Antragsgegnerin beantragt, die ihr von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 4.904,71 EUR festzusetzen. Bei der Berechnung ihrer Gebührenforderung ist die Antragsgegnerin von einem Geschäftswert i.H.v. 832.683,96 EUR ausgegangen und hat eine 2,5-fache Geschäftsgebühr geltend gemacht. Ferner hat sie im Hinblick auf den Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags die Festsetzung einer weiteren, 1,8-fachen Geschäftsgebühr beantragt.
Die Vergabekammer hat die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 2.056,91 EUR festgesetzt und den weiter gehenden Antrag zurückgewiesen. Sie hat die Ansicht vertreten, mehr als das 1,8-fache der Wertgebühr sei nicht gerechtfertigt und eine weitere Kostenerstattung für den Antrag nach § 115 Abs. 2 S. 1 GWB komme mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, die ihren ursprünglichen Antrag weiter verfolgt. Sie meint, die Tätigkeit ihrer Bevollmächtigten in dem vorliegenden Verfahren habe sich als sehr umfangreich und schwierig erwiesen. Dabei komme es nicht auf einen Vergleich mit anderen Vergabeverfahren, sondern nur auf einen Vergleich mit der allgemeinen durchschnittlichen Anwaltstätigkeit an. Sie verweist auf den tatsächlichen Zeitaufwand und die Intensität der Tätigkeit sowie die tatsächliche Bedeutung der Sache weit über den eigentlichen Streitwert hinaus.
Bei dem Antrag nach § 115 Abs. 2 GWB handele es sich um ein "Anhängsel" des Verfahrens vor der Vergabekammer, so dass eine analoge Anwendung des § 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 und 2 GWB sachgerecht erscheine.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde nur entgegen, soweit die Antragsgegnerin eine Gebühr von mehr als 2,0 geltend macht.
Mit Zustimmung aller Beteiligten hat der Senat durch Beschluss vom 2.5.2006 das schriftliche Verfahren angeordnet und den 12.5.2006 als Schlusstermin bestimmt.
II. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist zulässig. Eine Entscheidung der Vergabekammer kann auch lediglich in einem Kostenpunkt gem. § 116 Abs. 1 S. 1 GWB angegriffen werden (st. Rspr., vgl. z.B. OLG Naumburg v. 9.6.2004 - 1 Verg 6/04, m.z.N.).
III. In der Sache hat die Beschwerde aber keinen Erfolg.
1. Der Senat teilt die Ansicht der Vergabekammer, dass durch den Antrag nach § 115 Abs. 2 S. 1 GWB keine gesonderte Gebühr ausgelöst wird.
a) Anders als bei der Entscheidung des Vergabesenats nach § 115 Abs. 2 S. 2 GWB handelt es sich bei einer unangefochtenen Entscheidung der Vergabekammer nach § 115 Abs. 2 S. 1 GWB nicht um die Entscheidung über einen Rechtsbehelf. Diesen Unterschied zwischen § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB einerseits und Satz 2 andererseits übersieht die Beschwerdeführerin offenbar, wenn sie meint, eine analoge Anwendung des § 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 und 2 GWB erscheine sachgerecht (so auch jurisPK-VergR/Summa, 1. Aufl. 2005, § 128 GWB, Rz. 69).
b) Zuzustimmen ist der Beschwerdeführerin allerdings insoweit, als sie in der einstweiligen Maßnahme nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB lediglich ein "Anhängsel" des Verfahrens vor der Vergabekammer sieht. Dementsprechend handelt es sich hierbei um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 16 Nr. 1 RVG, so dass eine zusätzliche Gebühr gem. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG nicht verlangt werden kann. Die Anordnung der Zustellung des Nachprüfungsantrages nach § 110 Abs. 1 GWB löst kraft Gesetzes das Zuschlagsverbot aus, § 115 Abs. 1 GWB. Das Verfahren nach § 115 Abs. 2 S. 1 GWB dient der Abänderung dieser vorläufigen Sicherungsmaßnahme entsprechend § 16 Nr. 1 Halbs. 2 RVG.
2. Zu Recht ist die Vergabekammer davon ausgegangen, dass der vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin geltend gemachte Ansatz einer 2,5-fachen Gebühr als Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV hier i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig ist. Der Senat hält einen Gebührensatz von 1,3 für angemessen und sieht - wie schon die Vergabekammer - (höchstens) den 1,8-fachen Gebührensatz noch als tolerabel an.
a) Der Antragsgegnerin ist insoweit zuzustimmen, als es nicht allein auf einen Vergleich der Tätigkeit mit anderen Vergabesachen ankommt, sondern um eine Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit im Verhältnis zu der anwaltlichen Tätigkeit im Allgemeinen. Nach § 14 Abs. 1 RVG ist die Bemessung des Gebührenansatzes in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller s...