Leitsatz (amtlich)

Die Rücknahme des Nachprüfungsantrages ist auch nach mündlicher Verhandlung im Beschwerdeverfahren ohne Einwilligung des Antragsgegners und eines etwaigen Beigeladenen wirksam. Für eine analoge Anwendung von § 269 Abs. 1 ZPO besteht kein Bedürfnis.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Halle (Aktenzeichen 1 LVwA 03/07)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Nachprüfungsverfahren durch Antragsrücknahme, eingegangen am 19.7.2007, erledigt ist.

2. Der Verkündungstermin vom 30.8.2007 wird aufgehoben.

3. Die Antragstellerin trägt die Gebühren und Auslagen des Verfahrens vor der Vergabekammer von insgesamt 4.985,26 EUR sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Sie hat auch die notwendigen Auslagen des Antragsgegners und der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

4. Der Beschwerdewert wird auf 227.450 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für unbegründet hält. Er hat u.a. seine Rechtsauffassung zu der Frage erläutert, ob die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer der Vergabestelle im vorliegenden Fall im Original hätten vorgelegt werden müssen. Zum einen hat der Senat mitgeteilt, dass es nach seiner Ansicht im Gegensatz zur Ansicht der Vergabekammer nicht um das Kriterium der Dokumentenechtheit geht, sondern allein darauf ankommt, ob diese Erklärungen im Original einzureichen sind oder als Ablichtung vorgelegt werden können. Diese Auslegungsfrage hat der Senat im vorliegenden Einzelfall unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes dahin beantwortet, dass bloße Kopien ausreichend waren. Die Bieter waren nicht ohne weiteres verpflichtet, die Originale einzureichen. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass die Vergabestelle die Kopien als ausreichend angesehen hat.

Auf Grund dieses Hinweises hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18.7.2007 die Rücknahme des Nachprüfungsantrages erklärt, der jedoch weder der Antragsgegner noch die Beigeladene zugestimmt haben. Beide wiesen darauf hin, dass sie an der gerichtlichen Klärung der o.g. Frage für zukünftige Vergabeverfahren interessiert seien.

II. Die auch in der Beschwerdeinstanz noch mögliche Rücknahme ist mit ihrem Eingang bei Gericht wirksam geworden. Einer Einwilligung durch den Antragsgegner oder die Beigeladene bedurfte es nicht. Nach nochmaliger Beratung hält der Senat die Rücknahme des Nachprüfungsantrages nicht für zustimmungsbedürftig.

1. Eine Einwilligung der Beigeladenen wurde von der Rechtsprechung bisher ohnehin nicht für erforderlich gehalten (vgl. BayObLG, Beschl. v. 11.5.2004 - Verg 3/04, VergabeR 2004, 666 f. unter Hinweis auf BVerwGE 30, 27; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.8.2006 - 1 Verg 7/06). Dies folgt aus der abhängigen Stellung eines Beigeladenen im Prozess, die auch im Falle einer notwendigen Beiladung nicht entfällt.

2. Auch einer Einwilligung des Antragsgegners bedarf es nach Ansicht des Senates nicht, weil ein Bedürfnis zur analogen Anwendung des § 269 Abs. 1 ZPO im Vergabeverfahren fehlt.

a) Das BayObLG hatte die Meinung vertreten (Beschl. v. 11.5.2004, a.a.O.), eine Rücknahme des Nachprüfungsantrages werde erst mit Eingang der Einwilligung des Antragsgegners bei Gericht wirksam (§ 269 Abs. 1 ZPO analog). Dem ist das OLG Koblenz gefolgt (Beschl. v. 15.8.2006 - 1 Verg 7/06). Beide Gericht haben ihre Ansicht nicht begründet. Hierzu bestand in jenen Verfahren auch keine Veranlassung, weil die als notwendig erachtete Einwilligung in beiden Fällen tatsächlich erteilt worden war. Die Frage, wie ohne Einwilligung zu verfahren wäre, stellte sich für die dortigen Senate nicht.

b) Der BGH hat nur die entsprechende Anwendung der Kostenregelungen der ZPO angeordnet (vgl. BGHZ 146, 202, 216; BGHZ 158, 43, 59). Das Erfordernis der Einwilligung nach § 269 Abs. 1 ZPO gehört nicht zu den Kostenvorschriften, so dass der Senat sich an der oben dargestellten Entscheidung nicht gehindert sieht. Im Übrigen hat auch der BGH in seiner Entscheidung vom 25.10.2005 - X ZB 15/05, NZBau 2006, 392, 393, offenbar eine Zustimmung der übrigen Beteiligten nach der mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat nicht als Voraussetzung der Wirksamkeit der Rücknahme angesehen, sondern ohne weiteres über die Kosten entschieden.

c) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 269 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.

aa) Das Beschwerdeverfahren vor den Vergabesenaten ist trotz einiger unmittelbarer und mittelbarer Verweisungen in § 120 Abs. 2 GWB auf Vorschriften des Kartellbeschwerdeverfahrens, der ZPO, des GVG und des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer nicht abschließend und vollständig geregelt. Die Frage der Schließung solcher Lücken muss für jede einzelne Verfahrensfrage gesondert geprüft werden. Eine allgemeine analoge Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO als "Auffangbestimmungen" im Beschwerdeverfahren ist auf Grund der differenzierenden Auswahl des Gesetzgebers ausgeschlossen, der von einer derartigen Pauschalverweisung abgesehen ...

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