Leitsatz (amtlich)

Ist in einem Unterhaltstitel die Anrechnung von Kindergeld wie folgt beschrieben:

„… abzgl. des anrechenbaren Kindergeldes für das 1. Kind. Die Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit nicht Unterhalt i.H.v. 135 v.H. des Regelbetrages geleistet werden kann”, so ist dieser Titel wegen Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig. Der anzurechnende Kindergeldanteil muss im Titel betragsmässig ausgewiesen werden (st. Rspr. des Senats).

 

Verfahrensgang

AG Merseburg (Beschluss vom 25.02.2003; Aktenzeichen 2 F 307/02)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Merseburg vom 30.1.2003 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 25.2.2003 wird abgeändert und dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt B. aus H. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Parteien streiten im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens über die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für seinen am 22.10.1985 geborenen Sohn. Der Beklagte hatte sich am 19.6.2001 zu Unterhaltszahlungen für seinen Sohn für den Zeitraum ab 1.7.2003 i.H.v. 115,4 % des Regelbetrages gem. § 2 RegelbetragsVO der 3. Altersstufe verpflichtet. Nach der Urkunde sind auf den Unterhalt „nachstehende kindbezogene Leistungen anzurechnen: Abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes für das 1. Kind. Die Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit nicht Unterhalt i.H.v. 135 v.H. des Regelbetrages geleistet werden kann (§ 1612b Abs. 5 BGB)”. Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für das Verfahren zur Abänderung dieser Urkunde mit der Begründung, diese sei ab dem 1.7.2003 nicht vollstreckbar, weil die Anrechnung des Kindergeldes in der Urkunde zu unbestimmt sei. Darüber hinaus verlangt er eine Änderung des vom Hundertsatzes von 115,4 auf 123,3. Das AG hat Prozesskostenhilfe versagt, weil es der Auffassung ist, für die beabsichtigte Rechtsverfolgung fehle das Rechtsschutzinteresse, weil eine Titulierung des Kindesunterhalts bereits erfolgt sei.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Gründe, die zur Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs vom AG genannt sind, sind nicht zutreffend. Vielmehr ist die hier streitige Jugendamtsurkunde ab dem 1.7.2003 nicht vollstreckungsfähig. Der Urkunde fehlt es an der für einen Vollstreckungstitel erforderlichen Bestimmtheit. Hier ist der anzurechnende Kindergeldbetrag in der Urkunde nicht beziffert. Dies ist aber Voraussetzung für die Vollstreckungsfähigkeit einer solchen Urkunde (OLG Naumburg, Beschl. v. 4.7.2001 – 8 WF 102/01; Beschl. v. 4.7.2001 – 8 WF 103/01; sowie v. 9.7.2001 – 8 WF 132/01, und Beschl. v. 23.7.2001 – 8 WF 104/01). Insoweit besteht bereits ein Titulierungs- und damit Rechtsschutzinteresse unabhängig von der Frage, ob eine Kindergeldanrechnung erst dann zu erfolgen hat, wenn der Unterhaltsschuldner leistungsfähig i.H.v. 135 % des Regelbetrages ist.

Hier sei der Hinweis erlaubt, dass das AG im Rahmen seiner Hinweispflicht noch eine weitere Sachaufklärung wird betreiben müssen. Aus der Urkunde des Jugendamtes vom 19.6.2001 ergibt sich, dass der Unterhaltsschuldner, hier der Beklagte, auf Grund eines Urteils des Kreisgerichts Querfurt vom 19.1.1990 bereits zu Unterhaltszahlungen verpflichtet worden ist und die hier streitgegenständliche Urkunde in Abänderung dieses Titels errichtet worden ist. Das AG wird deshalb zu prüfen haben, ob für den Fall, dass die Urkunde des Jugendamtes für den Zeitraum ab 1.7.2003 nicht vollstreckungsfähig ist, insoweit das eben zitierte Urteil des Kreisgerichts Querfurt zu beachten ist.

Dies ist bei Beantwortung der Frage beachtlich, ob das möglicherweise in der Klage enthaltene Erhöhungsverlangen des Klägers berechtigt ist. Zumindest ein entspr. schlüssiger Vortrag zu einer Abänderung des vom 100-Satzes von 115, % auf 123,3 % ist bisher nicht erfolgt. Ausgehend davon, dass sich die Parteien auf einen Zahlbetrag von 562 DM geeinigt haben, wäre eine Titulierung von 115,4 % zutreffend. Wenn nunmehr der Kläger 123,3 % begehrt, wäre dies ein Abänderungsbegehren entweder des Urteils des Kreisgerichts Querfurt mit der Folge, dass entspr. § 323 ZPO vorgetragen werden muss oder eine Abänderung der Vereinbarung der Eltern die über Regelung des § 242 BGB zu erfolgen hat. In Anbetracht der Dauer zwischen Errichtung der Urkunde (19.6.2001) und Einreichung der Klage (12.7.2002) kann von einer Ergänzungsklage hier nicht ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127a Abs. 4 ZPO.

Wiedenlübbert Bisping Harms

 

Fundstellen

Haufe-Index 1109030

JWO-FamR 2004, 29

NJOZ 2004, 579

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