Leitsatz (amtlich)
Hat ein Sachverständiger gegen seine Hinweispflicht nach § 407a Abs. 3 ZPO verstoßen, kann dies im Einzelfall eine Kürzung seiner Vergütungsansprüche zur Folge haben. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine Kürzung unterbleibt insbesondere in den Fällen, in denen davon ausgegangen werden kann, dass auch bei erfolgter Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen nicht eingeschränkt oder ihre Fortsetzung nicht unterbunden worden wäre.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 30.05.2012; Aktenzeichen 9 OH 2/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 30.5.2012 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - insoweit abgeändert, als die Vergütung des Sachverständigen antragsgemäß vorläufig auf 5.920,95 EUR festgesetzt wird.
Bei Fortsetzung der Begutachtung entfällt die Beschränkung.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 18.4.2012 hat das LG den Vergütungsantrag des Beschwerdeführers vom 16.4.2012 zurückgewiesen, soweit damit eine Vergütungssumme von mehr als 3.750 EUR brutto geltend gemacht wurde. Zur Begründung hat der Einzelrichter darauf verwiesen, dass es der Beschwerdeführer versäumt habe, rechtzeitig gem. § 407a Abs. 3 ZPO auf eine Überschreitung des zuvor eingezahlten Kostenvorschusses von 3.000 EUR hinzuweisen. In diesem Fall sei eine Überschreitung des Vorschusses um mehr als 25 % nur zulässig, wenn die Begutachtung auch im Fall der Anzeige durchgeführt worden wäre. Davon könne aber nur ausgegangen werden, wenn die Begutachtung bei entsprechenden weiteren Kosten fortgesetzt werde.
Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vergütungsantrag Kosten i.H.v. 5.920,95 EUR dargelegt, die als solche vom Gericht nicht beanstandet wurden. Auch die Bezirksrevisorin hat in ihrer Stellungnahme vom 14.5.2012 keinerlei sachliche oder rechnerische Einwände gegen die Berechnung der Entschädigung erhoben, sondern nur die Kürzung wegen Verstoßes gegen § 407a Abs. 3 ZPO verteidigt.
Mit seinem Rechtsmittel begehrt der Beschwerdeführer die Festsetzung der ungekürzten Vergütung, mithin weiterer 2.170,95 EUR.
Mit Schriftsatz vom 22.5.2012 hat die Antragstellerin die Fortsetzung der Begutachtung im Wege eines Ergänzungsgutachtens desselben Sachverständigen beantragt und hierfür einen weiteren Kostenvorschuss von 2.000 EUR bei Gericht eingezahlt.
Dessen ungeachtet hat der Einzelrichter der Beschwerde mit Beschluss vom 30.5.2012 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat das LG auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
II. Das gem. § 4 Abs. 3 JVEG unbefristete und hier nicht verwirkte Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Ein Überziehen des Auslagenvorschusses (§ 379 ZPO) berührt den Entschädigungsanspruch grundsätzlich nicht, wenn die Mehrleistung für ein sachgerechtes Gutachten nötig war (st. Rspr. seit KG MDR 1983, 678; OLG Hamburg MDR 1981, 327). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, wurde von dem Sachverständigen ausführlich dargelegt und vom LG und den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt. Ebenso wurde die sachliche und rechnerische Richtigkeit des Vergütungsanspruchs als solche weder vom LG noch von der Bezirksrevisorin oder den Verfahrensbeteiligten beanstandet, so dass hierzu im Beschwerdeverfahren keine weiteren Ausführungen veranlasst sind.
2. Wie das LG zu Recht ausgeführt hat, kommt aber eine Kürzung der Entschädigung in Betracht, wenn der Sachverständige seine Hinweispflicht gem. § 407a Abs. 3 ZPO verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung liegt hier vor, was der Sachverständige auch nicht bestreitet. Die in § 407a Abs. 3 ZPO normierte Pflicht des Sachverständigen, frühzeitig auf höhere Kosten hinzuweisen, soll den Parteien Gelegenheit geben, die Fortführung des Verfahrens zu überdenken (Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 407a, Rz. 4). Die Hinweispflicht dient der möglichen Reduzierung der Verfahrenskosten und der wirtschaftlichen Risiken der Parteien.
Hat der Sachverständige gegen diese Hinweispflicht verstoßen, so kann dies im Einzelfall eine Kürzung seiner Vergütungsansprüche zur Folge haben (vgl. OLG Stuttgart, MDR 2008, 625; OLG Koblenz, JurBüro 2010, 214; BayObLG NJW-RR 1998, 1294 f.; OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2003, 263 ff.; offen gelassen in BGH, NJW-RR 2012, 311-313).
Ob auf Grund der Pflichtverletzung eine Kürzung gerechtfertigt ist, hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab, wie auch die Bezirksrevisorin zutreffend angenommen hat. Sie unterbleibt insbesondere in den Fällen, in denen davon ausgegangen werden kann, dass auch bei erfolgter Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen nicht eingeschränkt, oder ihre Fortsetzung nicht unterbunden worden wäre (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 2003, 791; Zöller/Greger, 29. Aufl. 2012, § 413 Rz. 6). Davon muss in der Regel ausgegangen werden, wenn Beweiserheblichkeit besteht und die vorschusspflichtige Partei selbst nach Kenntnis von der Vorschussübers...