Leitsatz (amtlich)

Ein Beigeladener ist im Vergabenachprüfungsverfahren dann materiell beschwert, wenn er geltend machen kann, dadurch unmittelbar in subjektiven Rechten, also nicht lediglich in wirtschaftlichen Interessen verletzt zu sein.

Hat er sich angesichts dessen, dass die Vergabestelle eine europaweite Neuausschreibung beabsichtigt, auf eine Interimsbeauftragung eingelassen, so kann er nicht geltend machen, durch die Verpflichtung zur Neuausschreibung in einer subjektiven Rechtsposition verletzt zu werden.

Setzt der öffentliche Auftraggeber die Entscheidung der Vergabekammer vor Beendigung des Nachprüfungsverfahrens um, indem er den gerügten Vergabeverstoß behebt, liegt eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens "in sonstiger Weise" vor.

Die Erledigung tritt zwischen den Hauptbeteiligten des Nachprüfungsverfahrens (Antragsteller und Antragsgegner) ein und ist vom Beigeladenen prozessual hinzunehmen.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 02.11.2009; Aktenzeichen VK 2 LVwA LSA 22/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 2.11.2009 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren notwendigen Auslagen der Antragstellerin hat die Beigeladene zu tragen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 58.500 EUR fest gesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin hat sich mit ihrem Nachprüfungsverfahren gegen die de-facto Vergabe von Postdienstleistungen ohne förmliche Ausschreibung durch die Antragsgegnerin an die Beigeladene gewandt und begehrt, die Antragsgegnerin zur Durchführung eines offenen Vergabeverfahrens zu verpflichten.

Die Antragstellerin ist ein überwiegend regional tätiges Postdienstleistungsunternehmen, das im nördlichen Raum Sachsen-Anhalts Briefe gewerblich befördert und unter Zusammenarbeit mit Zustellpartnern etwa 60 % des gesamten Bundesgebietes als Zustellgebiet abzudecken vermag.

Die Beigeladene, die bundesweit Postdienstleistungen erbringt, ist gem. §§ 52, 56 PostG zur Verrichtung des sog. Universaldienstes i.S.v. § 11 Abs. 1 PostG in Verbindung mit der Post-Universaldienstleistungsverordnung verpflichtet.

Die Antragsgegnerin hatte auf der Grundlage eines am 21./24.2.2005 abgeschlossenen Großkunden-Vertrages über Teilleistungen BZE Kunde Brief ihre Standardpostsendungen ursprünglich werktäglich durch die Beigeladene befördern lassen. Unter § 2 des Vertrages war zu den Konditionen für die Beförderung von Standardsendungen bestimmt, dass die Antragsgegnerin für eine bestimmte Mindestanzahl an eingelieferten Postsendungen einen Nachlass auf das Entgelt, das nach den jeweils aktuellen Service-Informationen für Standard-, Kompakt-, Groß- und Maxi-Briefsendungen sowie Postkarten zu zahlen ist, erhalten sollte. Mit Wirkung zum 1.1.2008 wurde der Konditionenvertrag zugunsten der Antragsgegnerin dahingehend geändert, dass die Rabatte angehoben und die Mengenschwelle zusätzlich gesenkt wurde.

Die Antragsgegnerin schrieb ihre Postdienstleistungen erstmals im Jahr 2007 in zwei Losen europaweit im offenen Verfahren aus und gab die Ausschreibung durch Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der europäischen Union zu dem Aktenzeichen 2007/S. 179 - 219207 unter dem 18.9.2007 bekannt. Während das Los 1 die sog. "Standardsendungen" (einschließlich Pakete und Päckchen) umfasste, betraf das Los 2 die Postzustellungsaufträge. An dieser Ausschreibung beteiligte sich seinerzeit auch die Antragstellerin mit einem Vertragsangebot. Von der Vergabe des Loses 1 musste die Antragsgegnerin jedoch Abstand nehmen, da nach Auswertung sämtlicher Angebote kein wertbares wirtschaftliches Angebot verblieb, hinsichtlich des Loses 2 erging der Zuschlag an die Firma E..

Nach Aufhebung der ersten Ausschreibung leitete die Antragsgegnerin mit Bekanntmachung im Supplement zum EU-Amtsblatt 2008/S. 138 - 184760 vom 18.7.2008 erneut ein europaweites Vergabeverfahren über die Abholung, Frankierung, Beförderung und bundesweite Zustellung von Postsendungen für den Zeitraum vom 1.2.2009 bis zum 31.1.2011 mit Verlängerungsoption für ein Jahr ein. Die Ausschreibung bezog sich in Los 1 auf "Standardsendungen" und in Los 2 auf "Päckchen und Pakete". Insgesamt gingen innerhalb der Angebotsfrist die Angebote von sieben Bietern ein, darunter auch die Angebote der Antragstellerin für beide Lose und der Beigeladenen für Los 1.

Während der Zuschlag für das Los 2) der V. GmbH und Co OHG erteilt wurde, hob die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren hinsichtlich des Loses 1) nach Auswertung der Angebote erneut auf, weil kein wertbares wirtschaftliches Angebot verblieben war. Über die Teilaufhebung informierte sie die Bieter, u.a. auch die Antragstellerin, mit Schreiben vom 16.12.2008. Diese wandte sich mit Schreiben vom 22.12.2008 gegen die Teilaufhebung des offenen Verfahrens, da ihrer Ansicht nach ein Aufhebungsgrund nicht ...

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