Leitsatz (amtlich)

Das Wechselmodell ist eine Frage des Umgangsrechts und nicht des Sorgerechts. Das Wechselmodell kann nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden. Ein Hinwirken auf Einvernehmen hat dann zu unterbleiben, wenn nach den Gesamtumständen eine Einigung der Eltern ausgeschlossen erscheint. In einem solchen Fall ist das Verfahren entsprechend dem Beschleunigungsgrundsatz fortzuführen und eine Entscheidung zu treffen.

 

Verfahrensgang

AG Merseburg (Beschluss vom 25.07.2013; Aktenzeichen 19 F 222/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Merseburg vom 25.7.2013 (Az. 19 F 222/12 SO) zu Ziff. II ersatzlos aufgehoben.

Von der Erhebung von Gerichtsgebühren und Auslagen für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; jeder Beteiligte trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kindesmutter wendet sich in einem sorgerechtlichen Verfahren zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gegen einen Beschluss, der neben einer weiteren Familienberatung das sog. Wechselmodell zwischen den Kindeseltern anordnet.

Die Kindeseltern sind die Eltern des während einer Ehe geborenen minderjährigen Kindes A. H., geb. 18.5.2006. Sie leben seit Mai 2010 getrennt. Das Ehescheidungsverfahren ist vor dem Familiengericht rechtshängig.

Der Kindesvater hat die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts begehrt, wobei er das sog. Wechselmodell befürwortet. Die Kindesmutter hat daraufhin gleichlautenden Antrag gestellt, steht jedoch dem Wechselmodell ablehnend gegenüber.

Das Familiengericht hat ein Sachverständigengutachten zu Fragen des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Wechselmodells eingeholt. Auf das Gutachten der Sachverständigen wird Bezug genommen. Die Verfahrenbeteiligten wurden mündlich angehört.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 25.7.2013 (Bd. I Bl. 225 d.A.) - ohne über die Sorgerechtsanträge der Eltern zu entscheiden - den Kindeseltern unter Ziff. I aufgegeben, die Familienberatung fortzuführen und unter Ziff. II für die Dauer von sechs Monaten das Wechselmodell angeordnet. Zur Begründung hat es angeführt, dass es zwar über die Anträge noch nicht endgültig entscheiden könne, weil zu befürchten sei, dass die Anordnung zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu führe, dass der jeweilige Elternteil eher an eigenen Bedürfnissen orientierte Entscheidungen treffe, so dass zunächst alle Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Kommunikation auszuschöpfen seien. Gleichzeitig entspreche es nach den gutachterlichen Ausführungen dem Kindeswohl, das Wechselmodell anzuordnen. Der entgegenstehende Wille der Kindesmutter habe keine Berücksichtigung finden können. Auf den Beschluss wird verwiesen.

Gegen die Anordnung des Wechselmodells wendet sich die Kindesmutter. Zwar handele es sich um eine Zwischenentscheidung, die jedoch einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Kindesmutter bedeute, so dass das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet sei. Zur Begründung führt sie weiter an, dass gegen ihren Willen das Wechselmodell nicht anzuordnen sei.

Der Kindesvater verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.

II.1. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist zulässig und begründet und führt zur ersatzlosen Aufhebung des Beschlusses zu Ziff. II, §§ 58 ff. FamFG.

Zwar hat das Familiengericht noch nicht endgültig über die wechselseitigen Anträge der Kindeseltern zum Aufenthaltsbestimmungsrecht entschieden und zunächst eine weitere Familienberatung gem. § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG angeordnet; diese Anordnung ist als Zwischenentscheidung auch nicht selbständig anfechtbar, § 156 Abs. 1 Satz 5 FamFG. Gleichzeitig hat das Familiengericht im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens mit dieser Anordnung jedoch eine Umgangsregelung (§ 1684 BGB) getroffen und hierbei das sog. "Wechselmodell" beschlossen. Unabhängig davon, dass Umgangsregelungen in einem separaten Verfahren zu führen sind, hat das Familiengericht hiermit jedoch eine endgültige Umgangsregelung im Sinne einer Endentscheidung (§ 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG) getroffen.

Es ist auch nicht etwa anzunehmen, dass das Familiengericht von der Möglichkeit der Anordnung gem. § 156 Abs. 3 Satz 2 FamFG Gebrauch gemacht hat. Denn weder ist der Sachakte zu entnehmen, dass mit den Beteiligten der Erlass einer einstweiligen Anordnung erörtert wurde; im Übrigen bestand wegen des stattfindenden Umgangs kein dringendes Bedürfnis für ein Tätigwerden, § 49 Abs. 1 FamFG. Noch handelte es sich im zugrunde liegenden Verfahren um eine Kindschaftssache, die das Umgangsrecht betrifft.

Das Familiengericht hat mithin eine Umgangsregelung getroffen, die als Endentscheidung gem. §§ 58 ff. FamFG anfechtbar ist.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Unabhängig davon, dass die Kindeseltern vorliegend kein Umgangsverfahren führen und keine entsprechenden Umgangsanträge gestellt haben, kann gegen den Willen der Kindesmutter das Wechselmodell nicht angeordnet werden (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 28.2.2013 - 3 UF 186/12 -, juris; KG, Bes...

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