Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt keinen Behandlungsfehler dar, wenn im Zuge der Legung eines Infusions-Ports - im Anschluss an sich frustran gestaltende Versuche, die Vena subclavia zu punktieren - zunächst erfolglos versucht wird, das Portsystem mit dem J-förmig gebogenen Ende des sog. Seldinger-Drahtes einzubringen, um danach das andere, flache Ende des Seldinger-Drahtes vorneweg einzusetzen. Die Verwendung dieses flachen Drahtendes ist zwar unüblich, unter den gegebenen Umständen aber nicht fehlerhaft, woran die abstrakt höhere Perforationsgefahr bei Vorschieben dieses Drahtendes nichts ändert.
2. Eine primär fehlerhafte und für die Behandler ex ante erkennbare Fehllage des Portsystems ist vom Patienten zu beweisen. Weist die Aspiration von Blut aus der nachvollziehbaren Sicht der Behandler auf eine korrekte Lage des Portsystems hin, so darf sich der Behandler auf diesen zuverlässigen Beleg für eine korrekte Portlage verlassen. Einer anlasslosen weiteren Prüfung der Lage des Portsystems bedarf es nicht.
3. Eine Pflicht der Behandlerseite zur Überprüfung von Blutaspiration vor einer jeden Benutzung des Portsystems besteht nicht, so dass in der nur einmaligen (positiv ausgefallenen) Überprüfung des angelegten Portsystems kein Behandlungsfehler zu erblicken ist.
4. Es ist nicht an der Behandlerseite, eine sie entlastende, überzeugende medizinisch-physikalische Ursache für eine Dislokation des Portsystems zu beweisen. Vielmehr ist es an der Patientenseite, den Beweis eines behandlungsfehlerhaften Vorgehens zu führen. Bei einer unterstellt primären Fehllage des Ports kommt es überdies darauf an, ob diese aus der maßgeblichen ex ante-Sicht der behandelnden Ärzte erkennbar war (hier zu verneinen).
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 02.03.2016; Aktenzeichen 9 O 2309/13) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 02. März 2016 (Az. 9 O 2309/13) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Schuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist die gesetzliche Krankenversicherung des bei ihr versicherten Herrn M. H. (nachfolgend: der Versicherte), der sich wegen eines Non-Hodgkin-Lymphoms vom 27. Juli bis 01. September 2009 im Krankenhaus der Beklagten behandeln ließ. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers geltend. An ihrer erstinstanzlich erhobenen Rüge fehlerhafter Aufklärung hat sie in der Berufungsinstanz nicht mehr festgehalten (Seite 2 des Sitzungsprotokolls vom 02. Februar 2017).
Im Vorfeld der medizinisch notwendigen Chemotherapie wurde dem Versicherten am 17. August 2009 ein Infusions-Port angelegt und gleichzeitig eine laparoskopische Biopsie des paraaortal gelegenen Lymphknotens durchgeführt. Am 24. August 2009 stellte sich heraus, dass der Port nicht richtig lag und Chemotherapeutikum in nicht bekannter Menge bei der Verabreichung über den Port in den Pleuraraum gelangt war, wodurch es zu einer gewebetoxischen Schädigung der Lunge kam. In der Zeit vom 04. September 2009 bis 4. Oktober 2010 war der Versicherte durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von der Klägerin Krankengeld gezahlt. Weitere stationäre Behandlungen fanden in der Zeit vom 04. Oktober bis 5. Dezember 2009, vom 22. bis 24. März 2010 und vom 01. September bis 2. Oktober 2010 jeweils im Universitätsklinikum ... statt.
Die Klägerin hat behauptet, die Portkatheterimplantation sei behandlungsfehlerhaft erfolgt. Der sog. Seldinger-Draht sei, was als solches unstreitig ist, in umgekehrter Richtung eingeführt worden, und zwar - so beschreibt es die Klägerin - mit der "spitzen", nicht gebogenen Seite voran. Das sei fehlerhaft gewesen. Aufgrund des radiologischen Befundes habe bereits am 17. August 2009 eine weitergehende Befunderhebung stattfinden müssen. Nach der Feststellung des Pleuraergusses und dessen sonographischer Bestätigung habe eine radiologische Kontrolle des Thorax erfolgen müssen, zu der es nicht gekommen sei. Hierdurch sei es zu vermeidbaren gewebetoxischen Schädigungen der Lunge des Versicherten gekommen, durch die sich dessen ohnehin kritisches Krankheitsbild weiter verschlechtert habe. Die Lunge sei nur zu 50 Prozent funktionsfähig. Die auf ein Fehlverhalten der Beklagten zurückführbaren Behandlungskosten beliefen sich auf rd. 78.000,00 Euro. Insgesamt seien sie weitaus höher, weil die Klägerin auch die Kosten für die Grunderkrankung des Versicherten tragen müsse.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 77.812,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit...