Leitsatz (amtlich)

1. Das Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die die allgemeinen Vorschriften des BGB anwendbar sind. Sie kann daher ausdrücklich oder konkludent erfolgen und wirkt unabhängig davon, ob dem Insolvenzverwalter bewusst ist, dass er eine derartige Erklärung abgibt (Wegner, Frankfurter Kommentar, 3. Aufl., § 103 Rz. 58 m.w.N.).

2. Schweigen und Zeitablauf allein rechtfertigen grundsätzlich noch nicht die Annahme einer stillschweigenden Erklärung, die Erfüllung des Vertrages verlangen zu wollen. Ob im Verhalten, also auch im Schweigen des Insolvenzverwalters, eine Erklärung i.S.d. § 103 Abs. 1 InsO gesehen werden kann, ist aber von Fall zu Fall je nach den gegebenen Umständen zu entscheiden (zu § 17 Abs. 1 Konkursordnung: BGH v. 1.7.1981 - VIII ZR 168/80, BGHZ 81, 90 [93] = MDR 1981, 1013).

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 23.10.2003; Aktenzeichen 4 O 826/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.10.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Magdeburg teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe sie mit einer Befriedigung ihrer im Insolvenzverfahren über das Vermögen der "N. GmbH" ab 1.9.2000 entstandenen Masseforderungen für Stromlieferungen gem. ihrer Forderungsaufstellung vom 13.9.2001 rechnen kann.

Im Übrigen wird das Urteil aufgehoben und zur Entscheidung über die weiteren Stufen der Klage an das LG Magdeburg zurückverwiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwehren, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 241.994,19 Euro.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort ergangenen Entscheidung nimmt der Senat auf den Inhalt des am 23.10.2003 verkündeten Urteils Bezug (Leseabschrift Bl. 52 ff. Bd. II d.A.). Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft in Anspruch. Der Beklagte hat im Zusammenhang mit seiner Behauptung, er habe die Masseunzulänglichkeit nicht vorhersehen können, sein Insolvenzgutachten vom 29.8.2000 (Anlage B 6, Anlagenband), die Insolvenzpläne vom 28.9.2000 (Anlage B 1, Anlagenband) und vom 15.5.2001 (Anlage B 5, Anlagenband) sowie einen Beratungsbericht der C. vom 28.8.2000 (Anlage B 20, Anlagenband) vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel insoweit weiter, als sie im Wege der Stufenklage den Ausfall mit ihren Forderungen für die Zeit seit dem 1.9.2000 geltend macht. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz, insb. ihre Behauptung, der Vertreter des Beklagten W. habe im Dezember 2000, etwa ein bis zwei Wochen vor Weihnachten bei ihrem Mitarbeiter T. angerufen und mitgeteilt, sie möge sich für neue Vertragsverhandlungen ab Januar 2001 an Herrn A., den neuen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, wenden. Für die Zeit vom 1.9.2000 bis zum 31.12.2000 habe der Beklagte zumindest durch konkludentes Verhalten die Erfüllung des bestehenden Stromlieferungsvertrages gewählt. Immerhin habe sein Vertreter W. sie mit Schreiben vom 17.8.2000 ausdrücklich aufgefordert, auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu den Konditionen des Sonderkundenvertrages die weitere Belieferung mit Strom vorzunehmen. Soweit das LG Magdeburg seinem Urteil eine Entscheidung des BGH v. 1.7.1981 (BGHZ 81, 90) zu Grunde gelegt habe, sei dies fehlerhaft, weil der dortige Sachverhalt dem hiesigen nicht vergleichbar sei. Auch bezüglich der Leistungen ab dem 1.1.2001 seien Masseverbindlichkeiten entstanden. Die Masse sei insoweit durch die Handlungen des Herrn A. verpflichtet worden. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte sämtliche noch erhobenen Forderungen der Klägerin als Masseverbindlichkeiten anerkannt habe. Schließlich habe sich der Beklagte nicht gem. § 61 S. 2 InsO entlasten können. Sein Vortrag, er habe die Masseunzulänglichkeit nicht absehen können, sei unzureichend. Die Klägerin beanstandet ferner, dass das LG die Voraussetzungen einer Haftung nach § 60 InsO nicht geprüft hat.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des am 23.10.2003 verkündeten Urteils der 4. Zivilkammer des LG Magdeburg zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe sie mit der Befriedigung ihrer im Insolvenzverfahren über das Vermögen der N. GmbH ab dem 1.9.2000 entstandenen Masseforderungen für Stromlieferungen gem. ihrer Forderungsaufstellung vom 13.9.2001 rechnen kann und die Sache zur Entscheidung über den noch zu beziffernden Zahlungsantrag an das LG Magdeburg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt sei...

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