Leitsatz (amtlich)
1. Ob neben der Grundvergütung auch ein Technologiebonus geschuldet ist, richtet sich nach § 8 Abs. 4 EEG 2004, wenn die Stromerzeugungseinheit (hier: ein Biogas-BHKW) bereits im Jahre 2006 in Betrieb genommen wurde, auch wenn die Nachrüstung mit einem Organic Rankine Cycle (ORC)-Modul erst im Jahr 2016 erfolgte und erst im Jahr 2018 ein zusätzliches Flex-BHKW integriert wurde, wenn das BHKW, das ORC-Modul und das Flex-BHKW nach dem hier anwendbaren § 3 Nr. 1 Satz 1 EEG 2009 eine einheitliche Anlage bilden.
2. Der Technologiebonus nach § 8 Abs. 4 EEG 2004 ist bei einer Kombination von BHKW und ORC-Modul nur auf die mittels der in der Vorschrift als innovativ aufgeführten Technologie erzeugten Teilstrommenge zu gewähren.
Normenkette
EEG 2004 § 8 Abs. 4; EEG 2009 § 3 Nr. 1, § 27; KWKG § 3
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 21.09.2023; Aktenzeichen 4 O 182/22) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. September 2023 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 141.641,63 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Auszahlung des restlichen Technologiebonus gemäß § 8 Abs. 4 EEG 2004 für den in ihrer Biogasanlage mit OCR-Modul produzierten und in das Verteilernetz der Beklagten im Einspeisezeitraum 2020 und 2021 eingespeisten Strom in Anspruch.
Die Klägerin betreibt eine Biogasanlage am Standort B., W. 12 in G., OT B., dessen Blockheizkraftwerk (BHKW1) sie am 15. Dezember 2006 mit einer Nennleistung von 549 kW in Betrieb genommen hatte. Im Jahr 2016 rüstete sie am Netzanschluss des BHKW 1 eine Organic-Rankine-Cycle-Anlage (im Folgenden: ORC-Anlage) nach, die über eine Nennleistung von 45 kW verfügt. Das ORC-Modul nutzt die Abgaswärme des BHKW 1, um zusätzlichen Strom zu erzeugen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die ORC-Einheit schon ab deren Inbetriebnahme in das Blockheizkraftwerk einstufig integriert oder aber nachgeschaltet war. Im Jahr 2018 baute die Klägerin zur Flexibilisierung der bestehenden Biogasanlage ein weiteres sog. Flex-Blockheizkraftwerk mit einer Nennleistung von 900 kW an einem separaten Netzanschluss hinzu.
Die Beklagte ist die für das Netzgebiet örtlich zuständige Verteilnetzbetreiberin, in deren Netz die Klägerin den in der Biogasanlage produzierten Strom einspeiste.
Im Jahr 2020 erzeugte die Klägerin in ihrer Biogasanlage insgesamt 4.578.134 kWh Strom, den sie in das Verteilnetz der Beklagten einspeiste. In dem Zeitraum vom 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 speiste sie insgesamt 4.415.282 kWh des in ihrer Anlage produzierten Stroms in das Verteilnetz der Beklagten ein. Da die Beklagte davon ausging, dass die ORC-Einheit in den Blockheizkraftkessel BHKW 1 integriert war und ORC-Modul sowie BHKW 1 als Einheit in einem einstufigen Prozess betrieben wurden, zahlte sie an die Klägerin den Technologiebonus gemäß § 8 Abs. 4 EEG 2004 für den von dem BHKW 1 und dem ORC-Modul erzeugten und eingespeisten Stromanteil aus. Für den Strom aus dem im Jahr 2018 nachgerüsteten Flex-Blockheizkraftwerk entrichtete sie die Zusatzvergütung nach § 8 Abs. 4 EEG 2004 indessen nicht, da die Klägerin eine Erklärung zur technisch notwendigen Verbundenheit der Anlagen nicht vorgelegt hatte.
Nachdem die Beklagte bei einer Kontrolle der Lastgangkurven des BHKW 1 und der ORC-Anlage im Jahr 2020 festgestellt hatte, dass der BHKW 1 im Oktober und November 2020 ohne das ORC-Modul betrieben worden war, schloss sie daraus, dass der ORC-Prozess tatsächlich nicht in einem einstufigen Prozess parallel zum BHKW 1-Betrieb lief, sondern selbständig nachgeschaltet war. Sie forderte deshalb von der Klägerin den für den Zeitraum 01. Januar 2020 bis 03. August 2021 erhaltenen Technologiebonus wieder zurück. Erst nachdem die Klägerin einen Nachweis über die vollständige Integration der ORC-Anlage in den BHKW 1 durch ein Umweltgutachten nachreichte, erkannte die Beklagte den Technologiebonus für den durch das BHKW 1 und die ORC-Komponente erzeugten Stromanteil mit Schreiben vom 20. Dezember 2021 gegenüber der Klägerin an.
Nach Korrektur ihrer Jahresrechnung ermittelte die Beklagte ausgehend von der im Kalenderjahr 2020 in das Netz eingespeisten Gesamtstrommenge von 4.579.134 kWh einen technologiebonusfähigen Stromanteil von 305.785 kWh, für den sie an die Klägerin eine Zusatzvergütung nach § 8 Abs. 4 EEG 2004 in Höhe von 6.115,70 Euro gemäß der als Anlage K 4 vorgelegten Korrekturrechnung vom 06. Mai 2021 auszahlte.
Für das Kalenderjahr 2021 rechnete die Beklagte bezog...