Leitsatz (amtlich)
Die Erben des den Wert eines restitutionsbelasteten Vermögensgegenstandes (hier durch Errichtung eines Gebäudes auf ursprünglich unbebautem Grundstück) erhöhenden Eigentümers sind gegenwärtig Verfügungsberechtigte i.S.v. § 7 Abs. 2 S. 1 VermG, sodass sie vom Berechtigten großen Wertausgleich verlangen können.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen 5 O 1827/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 22.10.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115.000 Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen. und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 99.190,62 Euro.
Gründe
I. Wegen der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung des LG verwiesen.
Der Einzelrichter hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie einwendet, § 7 Abs. 2 VermG erfasse keine vor 1945 getätigten Investitionen. Der Gesetzgeber habe vormals jüdisches Eigentum insoweit von Wertausgleichsansprüchen frei halten wollen. Das Vermögensgesetz sei deshalb nur mit dieser Einschränkung entsprechend anzuwenden. Außerdem habe lediglich der gegenwärtige Verfügungsberechtigte, durch den die werterhöhende Investition veranlasst worden sei, den großen Ausgleichsanspruch. Hierzu gehörten die Erben gerade nicht. Sie seien auf Ansprüche aus § 7 Abs. 1 VermG verwiesen.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 22.10.2003 verkündeten Urteils des LG Magdeburg die Klage abzuweisen.
Die Kläger verteidigen das Urteil des LG und beantragen die Zurückweisung der Berufung.
II. Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG ist ohne Rechtsfehler i.S.v. § 513 Abs. 1 Alt. 1 ZPO und mit Blick auf die nach § 529 ZPO zu berücksichtigenden Tatsachen (vgl. § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO) zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte den Klägern die sich im errichteten Gebäude vergegenständlichende Werterhöhung im Umfang von 99.190,62 Euro auszugleichen hat (§ 7 Abs. 2 S. 1 VermG).
1. Die Beklagte ist Berechtigte i.S.v. §§ 7 Abs. 2 S. 1, 1 Abs. 6, 2 Abs. 1 S. 3 VermG. Sie hat das Grundstück G. Straße 25 in Sch. durch Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 14.7.2000 nach § 3 Abs. 1 S. 1 VermG zurück übertragen erhalten (Bd. I Bl. 6-12 d.A.). Bei den Klägern handelt es sich um die Verfügungsberechtigten (§ 2 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 VermG).
2. Nach § 7 Abs. 2 S. 1 VermG sind Werterhöhungen, die eine natürliche Person als gegenwärtig Verfügungsberechtigter bis zum 2.10.1990 an dem Vermögenswert herbeigeführt hat, vom Berechtigten mit dem objektiven Wert zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Rückübertragung des Eigentums auszugleichen. Diesen großen Wertausgleich machen die Kläger zu Recht geltend:
a) Das LG hat ausgeführt, der Erblasser H. W. habe nach seinem Erwerb auf dem vormals unbebauten Grundstück das jetzt aufstehende Gebäude errichtet. Dies ergebe sich aus der Bescheinigung der Stadt Sch. vom 28.4.1938 (Bd. I Bl. 106 d.A.) und dem Rohbauabnahmeschein vom 14.10.1938 (Bd. I Bl. 137 d.A.). Diese, nicht zu beanstandende Beweiswürdigung greift die Berufung nicht an.
b) Die Jahresfrist des § 7 Abs. 8 S. 2 VermG hat das LG als eingehalten angesehen, weil der Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen dem Nachlasspfleger erst am 17.7.2000 zugestellt worden sei. Auch dies trifft zu.
Die gesetzliche Ausschlussfrist wird durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs ggü. dem Berechtigten gewahrt. Die Kläger berufen sich hierzu auf das Schreiben des Nachlasspflegers vom 17.8.2001, das die Beklagte am gleichen Tag per Fax erhalten hat (Bd. I Bl. 5, 71-73 d.A.). Der Nachlasspfleger nach §§ 1960 Abs. 1 u. 2, 1961 BGB handelt als gesetzlicher Vertreter der zu ermittelnden Erben. Der Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen wurde ihm unstreitig am 17.7.2000 durch Zustellung bekannt gemacht (vgl. § 33 Abs. 4 S. 1 VermG i.V.m. § 41 Abs. 5 VwVfG und §§ 8 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 2 VwZG). Die hiergegen gerichtete Klage (vgl. § 37 Abs. 1 S. 1 VermG) musste innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe erhoben werden (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO). Nach Ablauf dieses Zeitraums, also mit dem 18.7.2000 trat Bestandskraft ein. Die Kläger hatten von diesem Moment an ein Jahr Zeit, ihre Ansprüche geltend zu machen, wofür das Schreiben vom 17.8.2001 genügte.
c) Der große Wertausgleichsanspruchs erfasst die Werterhöhungen bis zum 2.10.1990. Das LG hat deshalb richtig auch Baumaßnahmen vor 1945 als auszugleichen betrachtet. Die von der Berufung vorgetragene Anspruchsbeschränkung auf Maßnahmen während des Bestehens der DDR lässt sich...