Leitsatz (amtlich)

1. Ein Notar, der einen Grundstückskaufvertrag beurkundet, bei dem als Verkäufer eine Gebietskörperschaft nicht als Eigentümerin, sondern als Verfügungsberechtigte i.S.v. § 3 Abs. 3 VermG auf Grundlage eines Investitionsvorrangbescheides i.S.v. §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 InVorG auftritt, ist nicht verpflichtet, die Gemeinde von sich aus über den Inhalt des § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG zu belehren bzw. die Vertragsparteien auf die Möglichkeit einer vertraglichen Abwälzung des hieraus resultierenden wirtschaftlichen Risikos auf den Käufer hinzuweisen.

2. Besteht neben einem etwaigen subsidiären Notarhaftungsanspruch auch eine Amtshaftungsanspruch, dessen Verpflichteter den Einwand subsidiärer Haftung erheben kann, so ist zum Zwecke der Unterbrechung der Verjährung eine gleichzeitige Klageerhebung gegen beide Anspruchsgegner in gesamtschuldnerischer Haftung (bzw. eine Maßnahme gleicher Wirkung) vorzunehmen.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 14.03.2003; Aktenzeichen 3 O 504/02)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.3.2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichterin – des LG Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 Euro.

 

Gründe

A. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten eines Notars.

Auf der Grundlage eines Investitionsvorrangbescheides verkaufte die Klägerin am 11.11.1992 ein mit Rückübertragungsansprüchen belastetes Grundstück an einen Dritten. Der vereinbarte Kaufpreis basierte auf einem Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses des Katasteramtes. Mit Urteil vom 23.4.1996 (3 O 430/94) verurteilte das LG Halle die hiesige Klägerin, an die Rückübertragungsberechtigten gem. § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG 15.000 DM zu zahlen, weil sich im Nachhinein herausstellte, dass der vereinbarte Kaufpreis um 15.000 DM unter dem Verkehrswert lag.

Nachdem die Klägerin einen Amtshaftungsprozess gegen den Gutachterausschuss wegen fehlerhafter Prozessführung verloren hatte, nahm sie ihre damaligen Prozessbevollmächtigten in Anspruch, die mit Urteil vom 31.5.2002 (14 O 226/01) verurteilt wurden, der Klägerin die Prozesskosten zu erstatten. Eine Verpflichtung der Rechtsanwälte zur Erstattung der Kaufpreisdifferenz hat das LG Halle verneint. Es hat unter anderem darauf abgestellt, dass der Amtshaftungsanspruch gegen das Land ohnehin verjährt gewesen sei und nicht mehr hätte durchgesetzt werden können.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin nunmehr den Beklagten in Anspruch genommen, der den Vertrag vom 11.11.1992 beurkundet hatte. Sie hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, eine „Durchreicheklausel” in den Vertrag aufzunehmen, so dass das Risiko einer falschen Bewertung des Grundstücks auf den Erwerber übergegangen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Einzelrichterin hat eine Pflichtverletzung des Beklagten unter Hinweis auf das Neutralitätsgebot des Notars verneint.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag auf Zahlung von 80.213,95 Euro nebst Zinsen weiter und betont, dass nicht § 19 BNotO sondern § 18 NotVO Grundlage ihres Anspruchs sei. Im Rahmen dieser Norm komme eine Anwendung des § 839 BGB nicht in Betracht. Der Beklagte habe die Pflichten eines Notars in dreifacher Weise verletzt. Zum einen habe er gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes verstoßen, indem er nicht geklärt habe, ob es sich um einen Verkauf nach dem InVorG handele. Zum anderen habe er es versäumt, die Klägerin über § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG und das hieraus resultierende Risiko zu belehren.

Schließlich wirft die Klägerin dem Beklagten auch einen Verstoß gegen die betreuende Belehrungspflicht vor. Die Klägerin sei nur daran interessiert gewesen, Investitionen in ihrem Gemeindegebiet zu fördern. Keinesfalls sei sie bereit gewesen, für eine etwaige Abweichung des Kaufpreises vom Verkehrswert einzustehen. Deshalb sei der Beklagte verpflichtet gewesen, sie auf das Haftungsrisiko des § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG hinzuweisen. Hätte sie dieses gekannt, so hätte sie den beurkundeten Vertrag nicht abgeschlossen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und betont, dass er von etwaigen Rückübertragungsansprüchen keine Kenntnis gehabt habe und davon ausgegangen sei, dass die Klägerin unbeschränkte Eigentümerin gewesen sei. Im Übrigen sei es nicht seine Aufgabe gewesen, die erzielte Einigkeit über den Kaufpreis zum Vo...

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