Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Auslegung eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist im Grundstückskaufvertrag vereinbart, die in einem neuen Baugebiet gelegene Liegenschaft werde erschlossen verkauft, so schuldet der Verkäufer das vollständig erschlossene Grundstück spätestens zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Er kann sich im Verhältnis zu den Käufern nicht auf öffentlich-rechtliche Vorschriften oder Verträge stützen, wonach das Grundstück trotz ausstehender Fertigstellung der Erschließungsanlagen als erschlossen gilt bzw. die Erschließung erst nach vollständiger Bebauung abzuschließen ist, wenn der erreichte Erschließungszustand hinter der privatrechtlichen Abrede im Grundstückskaufvertrag zurück bleibt. Vielmehr sieht sich der Verkäufer Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt, die zu einer Minderung des Kaufpreises führen können.

2. Dem Käufer mag in einem solchen Fall mit Blick auf die Gefahr der Beschädigung von Erschließungsanlagen in der Bebauungsphase des Gebiets nach § 242 BGB die Hinnahme unfertiger Anlagen für einen Übergangszeitraum zuzumuten sein. Mehr als 8 Jahre, ohne Aussicht auf Fertigstellung sind aber bei weitem zu lang.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 17.05.2005; Aktenzeichen 6 O 1524/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 17.5.2005 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 5.229,27 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.8.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung und die Anschlussberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 6.654,34 EUR festgesetzt.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.

 

Gründe

A. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache zum Teil Erfolg, während sich das zulässige Anschlussrechtsmittel des Beklagten als unbegründet erweist. Für die rechtliche Beurteilung des auf dem Grundstückskaufvertrag vom 30.8.1997 [Bd. I Bl. 13-20 d.A.] beruhenden Streitverhältnisses der Parteien kommt es auf das bis zum 1.1.2002 maßgebliche Recht an (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).

I. Berufung:

Das angefochtene Urteil vom 17.5.2005 beruht hinsichtlich des Rückzahlungsbegehrens der Kläger i.H.v. 4.303 EUR auf einer Rechtsverletzung, hält aber im Übrigen wegen der nicht zugesprochenen Anwaltskosten i.H.v. 925,07 EUR sowie mit Blick auf das Feststellungsbegehren einer rechtlichen Nachprüfung durch den Senat stand. Nach § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen, die weiter gehend zugunsten der Kläger streiten, sind nicht ersichtlich (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Die Kläger haben gegen den Beklagten Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des auf die Erschließung entfallenden Kaufpreises i.H.v. 4.303 EUR aus §§ 433 Abs. 1 S. 1, 459 Abs. 1 S. 1, 446 Abs. 1 S. 1, 462, 465, 472 Abs. 1 BGB a.F. Sie berufen sich zu Recht (hilfsweise) auf die Minderung des Kaufpreises.

Das LG hat Ansprüche aus § 326 Abs. 1 BGB a.F., § 463 BGB a.F., positiver Vertragsverletzung (pVV), Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherungsrecht und § 242 BGB (Vertragsanpassung aufgrund des Fehlens, der Änderung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage) geprüft und keine Rechtsgrundlage ersehen können, aufgrund derer die Kläger vom Beklagten die Rückzahlung des auf nicht erbrachte Erschließungsleistungen entfallenden Kaufpreisanteils von 4.053 EUR und 250 EUR [Bd. I Bl. 6, 154 d.A.] verlangen könnten. Dabei hat die Einzelrichterin die kaufvertragliche Beziehung der Parteien weitestgehend unerörtert gelassen und sich insb. nicht mit der Frage beschäftigt, ob der Beklagte den Klägern ein mit einem Mangel behaftetes Grundstück verschafft hat und sich deshalb berechtigten Sachmängelgewährleistungsansprüchen ausgesetzt sieht, die zumindest nach Gefahrübergang einen Rückgriff auf §§ 320 ff. BGB a.F., insb. § 326 BGB a.F. ausschließen.

Nach § 459 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. haftet der Beklagte den Klägern dafür, dass das Grundstück zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. In diesem Sinne ist die Kaufsache fehlerhaft, wenn ihre physische Beschaffenheit von dem vertraglich Vereinbarten abweicht. Dabei werden auch Eigentümlichkeiten, die in der Beziehung der Sache zur Umwelt begründet sind und sich z.B. aus der Erschließung eines Grundstücks ergeben (OLG Hamm, Urt. v. 18.3.2002 - 22 U 86/00, OLGReport Hamm 2002, 281 [282]; OLG Bamberg, Urt. v. 16.10.2002 - 3 U 128/01, OLGReport Bamberg 2...

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