Leitsatz (amtlich)

1. Kann eine Operation durch eine konservative Behandlung oder deren Fortführung vermieden werden oder ist sie erst nach deren erfolgloser Vorschaltung indiziert und besteht für den Patienten eine echte Wahlmöglichkeit mit gleichwertigen Chancen, wenngleich anderen Risiken, dann ist der Patient darauf hinzuweisen.

2. Mit der Überweisung an ein Krankenhaus geht die Verantwortung für den Patienten vom überweisenden Arzt auf den Nachbehandler über. Eine eventuell bereits erfolgte Aufklärung durch den erstbehandelnden Arzt kann sich der nachbehandelnde Arzt nicht entlastend zurechnen.

3. Bei der Rüge fehlender oder mangelhafter Aufklärung muss der Patient - ebenso wie beim Behandlungsfehler - die Kausalität zwischen der Schadensfolge, für die er Ersatz begehrt und dem Eingriff des Arztes beweisen.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 05.04.2012; Aktenzeichen 6 O 1464/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.4.2012 verkündete Urteil des LG Halle wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 140.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin befand sich bei ihrer Ärztin Dr. med. R., Fachärztin für Orthopädie, wegen Rückenschmerzen in Behandlung. In der Patientendokumentation heißt es unter dem 11.6.2007 u.a.: "ausführliche Erörterung von Diagnose und Therapie - zunächst konservativ, da Schmerzüberverlagerung an der Hüfte durch radikuläre Symptomatik bei BSS L5/S1". Unter dem 10.7.2007 wurde in der Dokumentation u.a. vermerkt: "bittet um Einweisung und Unterlagen für Hüft-OP". Die Klägerin wandte sich nach eigenen Recherchen an die Beklagte zu 1); am 12.9.2007 wurde die Klägerin dann von ihrer Ärztin in die Klinik der Beklagten zu 1) überwiesen mit der Diagnose einer Coxarthrose. Am 27.9.2007 stellte sich die Klägerin bei der Klägerin zu 1) vor; es erfolgte eine Aufklärung via einstündigem Film und einem kurzen Aufklärungsgespräch und es wurde ferner eine Röntgenaufnahme gefertigt. Zu dem Aufklärungsgespräch haben die Beklagten in der Berufungserwiderung vorgetragen, dass die Zeugin Dr. K. der Klägerin die Möglichkeit einer konservativen Behandlung dargestellt habe, diese bei der Klägerin aber nicht Erfolg versprechend sei. Am 1.10.2007 erfolgte die Operation durch den Beklagten zu 2), bei der eine Hüfttotalendoprothese links mit einer Trilogy-Pfanne eingesetzt wurde. Am 4.10.2007 wurde eine postoperative Röntgenaufnahme gefertigt.

Die Klägerin befand sich bis zum 7.10.2007 in stationärer Behandlung bei der Beklagten zu 1); am 12.10.2007 begann die Klägerin eine Kur in der Klinik B.. Am 14.10.2007 kam es zu einer spontanen Nahtöffnung mit massivem seriösen Sektionsabgang, in deren Folge die Klägerin abermals in die Klinik der Beklagten zu 1) verlegt wurde und tags darauf, nach entsprechender Aufklärung, eine Wundrevisions-Operation samt Wechsel der Hüftendoprothese durch den Beklagten zu 2) erfuhr.

Nach Beendigung der stationären Behandlung bei der Beklagten zu 1) am 1.11.2007 setzte die Klägerin die Reha in der Klinik B. fort, in deren Abschlussbericht vom 10.1.2008 es u.a. heißt, die Klägerin gebe Beschwerdearmut im linken Hüftgelenk an. Lediglich unter Belastung verspüre sie noch ein leichtes Ziehen im Oberschenkel. Eine schmerzfreie Gehstrecke von 500 m sei möglich und das Treppensteigen gelinge auf- und abwärts flüssig. Die Klägerin laufe schon einige Meter ohne Unterarmgehstützen und fühle sich dabei sicher. Die bei Aufnahme definierten Rehabilitationsziele hätten voll erreicht werden können; mit dem Rehabilitationsergebnis sei die Klägerin sehr zufrieden. Sie werde mit gutem Rehabilitationsergebnis, subjektivem Wohlbefinden und subjektiver Zufriedenheit in die weitere ambulante Betreuung entlassen.

Die Klägerin behauptet mit Verweis auf die Röntgenaufnahmen vom 27.9. und 4.10.2007, dass der Beklagte zu 2) bei der Operation am 1.10.2007 grob fehlerhaft gehandelt habe und es zu einer Verletzung des Pfannenbodens gekommen sei.

Des Weiteren behauptet sie eine fehlerhafte Aufklärung. Sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass sich ihr Zustand auch verschlechtern könne, die erste Operation nur relativ indiziert gewesen sei und es konservative Behandlungsmöglichkeiten gegeben habe. Sie sei ferner nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie nach dem Eingriff dauerhaft auf Unterarmgehstützen angewiesen sei. Auch hätten die Beklagten sie darüber aufklären müssen, dass bei ihr infolge ihrer Adipositas und der Osteoporose ein erhöhtes Risiko einer Pfannenlockerung bestanden habe, und nicht zuletzt auch darüber, dass die vorhandenen Schmerzen auch andere, durch die Operation ni...

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