Leitsatz (amtlich)
1. Ist bei der Verurteilung zur Urkundenvorlage auch ein Geheimhaltungsinteresse des Beklagten betroffen, richtet sich die Beschwer nicht nur nach dem Aufwand für die Vorlage, sondern hat auch das Geheimhaltungsinteresse einzubeziehen.
2. Ein Einsichtsrecht eines ausgeschiedenen Gesellschafters einer GmbH in Geschäftsunterlagen nach § 810 BGB besteht nach Treu und Glauben dann nicht, wenn bei ihm die Voraussetzungen des § 51a Abs. 2 GmbHG vorlägen. Dies ist der Fall, wenn er inzwischen Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens ist.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 17.05.2013; Aktenzeichen 3 O 90/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dessau-Roßlau vom 17.5.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 130 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird vorab gem. § 540 Abs. 1, Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie den Beschluss vom 28.6.2013 zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG der Klage stattgegeben und hierzu wie folgt ausgeführt:
Die Klage sei zulässig.
Dem stehe das Auskunftserzwingungsverfahren gem. § 51a GmbHG in dem Verfahren 3 O 66/12 nicht entgegen.
Das Verfahren sei durch rechtskräftigen Beschluss, mit dem das Auskunftsbegehren zurückgewiesen worden sei, abgeschlossen. Damit sei die Rechtshängigkeit entfallen. Überdies handele es sich bei Einsichtsrechten gem. § 51a GmbHG nicht um dieselben, wie dem aus § 810 BGB.
Auch der Antrag des Klägers auf Vorlage von Urkunden im Rahmen des Verfahrens 3 O 73/12 stehe der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da die Anträge auf Vorlage der Urkunden erst am 10.4.2013 gestellt worden seien und damit nach Rechtshängigkeit des hiesigen Verfahrens, so dass in dem Verfahren 3 O 73/12 die Zulässigkeit geprüft werden müsse.
Darüber hinaus sei die Klage auch begründet.
Dem Kläger stehe ein Einsichtsrecht gem. § 810 BGB zu. Ausgeschiedene Gesellschafter seien im Hinblick auf ihre Abfindungsansprüche auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus §§ 810, 242 BGB beschränkt. Ein solcher Anspruch bestehe insbesondere dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass ein angebotener Abfindungsbetrag erheblich unter dem Beteiligungswert liegen könne.
Da dem ausgeschiedenen Gesellschafter die Kontrollrechte nach § 51a GmbHG nicht mehr zustünden, bestehe das rechtliche Interesse gem. §§ 810, 242 BGB. Vorliegend gebe es Anhaltspunkte, dass die Berechnung des Abfindungsguthabens auf der Grundlage des Stuttgarter Verfahrens nicht wirksam vereinbart sei.
Damit bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einsichtnahme.
Die im Tenor genannten Unterlagen stellten auch Urkunden i.S.d. § 810 BGB dar.
Die erfolgte teilweise Änderung der Klageanträge sei zulässig. Das Einsichtsrecht stehe dem Kläger persönlich zu.
Wegen des weiteren Inhaltes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das ihr am 23.6.2013 (Bd. I, Bl. 181 d.A., gemeint ist wohl der 23.5.2013) zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 6.6.2013 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am gleichen Tage eingegangenen Schriftsatz zunächst vorläufig und sodann nochmals mit am 25.7.2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte rügt das erstinstanzliche Urteil und trägt hierzu wie folgt vor:
Das LG sei über die gestellten Anträge hinausgegangen. Diese seien im Urteil nicht so wiedergegeben worden, wie sie im Termin protokolliert worden seien.
Überdies habe mit dem Verfahren 3 O 66/12 bei dem LG Dessau-Roßlau eine doppelte Rechtshängigkeit vorgelegen. In diesem Verfahren seien die gleichen Anträge gestellt worden, wie im vorliegenden Verfahren. In dem Verfahren 3 O 66/12 sei zwar das Einsichtsrecht gem. § 51a GmbHG geltend gemacht worden, dies spiele im Ergebnis jedoch keine Rolle.
Die Klage sei abgewiesen worden, so dass der Anspruch nicht nochmals geltend gemacht werden könne.
Das LG sei zunächst vollkommen korrekt davon ausgegangen, dass ein Einsichtsrecht dem Kläger nur höchstpersönlich zustehe. Insoweit sei nicht nachvollziehbar, warum dieses Einsichtsrecht auch einem vom Kläger zu beauftragenden Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Wirtschaftsprüfer zugesprochen worden sei.
Ein solches Einsichtsrecht sei auch nicht von § 810 BGB gedeckt.
Dabei lasse das Gericht es auch unberücksichtigt, dass der Kläger stets einen Steuerberater mitnehme, welcher auch für das Konkurrenzunternehmen der Beklagten arbeite.
Immerhin sei der Kläger, was zwischen den Parteien unstreitig ist, zwischenzeitlich Geschäftsführer der Firma L. GmbH, die eine unmittelbare Konkurrentin der Beklagten sei.
Dieser Gesichtspunkt der Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen sei vom LG in keiner Weise berüc...