Leitsatz (amtlich)

Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn sich der Dienstberechtigte mehr als 9 Monate nach Abschluss der außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Geschäftsführer einer GmbH auf einen gänzlich neuen Kündigungsgrund beruft, der in keinen sächlichen Zusammenhang mit dem ursprünglich genannten Grund steht. Fehlt es an einem zeitlichen und jedem sachlichen Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Kündigungsgründen, kann der später genannte Grund nicht mit „nachgeschoben” werden.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Aktenzeichen 21 O 367/00)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.9.2001 verkündete Urteil des LG Stendal (21 O 367/00) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.473,30 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes aus

– 5.729,43 Euro ab dem 2.9.2000

– 5.685,11 Euro ab dem 2.10.2000

– 5.729,43 Euro ab dem 2.11.2000

– 5.685,11 Euro ab dem 2.12.2000

– 5.644,22 Euro ab dem 2.1.2001

zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Bundesanstalt für Arbeit 6.821,67 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes aus

– 1.329,56 Euro ab dem 2.9.2000

– 1.373,88 Euro ab dem 2.10.2000

– 1.329,56 Euro ab dem 2.11.2000

– 1.373,88 Euro ab dem 2.12.2000

– 1.414,78 Euro ab dem 2.1.2001

zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 40.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten (i.F. Beklagte). Die Beklagte hat das Anstellungsverhältnis mit Anwaltsschreiben vom 7.8.2000 (Bl. 13/14 I), 17.8.2000 (Bl. 19 – 21 I) und 9.5.2001 (Bl. 126/127 I) außerordentlich gekündigt. Zwischen den Parteien ist insoweit streitig, ob das Schreiben vom 9.5.2001 eine neue Kündigung darstellt oder ob damit nur Gründe für die Kündigung vom 7.8.2000 „nachgeschoben” werden sollten. Auf den Inhalt der genannten Schreiben wird Bezug genommen. Der Kläger ist den Kündigungen entgegengetreten. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Gehaltsansprüche für die Zeit von September 2000 bis Januar 2001 geltend. Er stützt seinen Zahlungsanspruch hilfsweise auf die Abfindungsregelung aus § 6 Nr. 4 Abs. 1 des Änderungsvertrages zum Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 14.7.1999 (Bl. 71/72 I).

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird gem. § 543 ZPO (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: § 26 Nr. 5 EGZPO) Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 63–68 II).

Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Dienstvertrag sei durch die Kündigung vom 7.8.2000 wirksam beendet worden. Zuständig für die Kündigung des Anstellungsvertrages sei nach § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der Aufsichtsrat gewesen. Der Aufsichtsrat habe in seiner Sitzung vom 31.7./1.8.2000 einen Beschluss gefasst, das Anstellungsverhältnis fristlos zu kündigen. Die Kündigung sei dem Kläger zwar persönlich übergeben und nicht wie im Anstellungsvertrag vorgesehen durch eingeschriebenen Brief übermittelt worden. Dies sei für die Wirksamkeit der Kündigung aber unschädlich, weil das Erfordernis des Einschreibens lediglich Beweiszwecken habe dienen sollen. Der Kläger habe der Kündigung nicht gem. § 174 BGB entgegentreten können. Das Original der Vollmacht zur Kündigung sei vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnet worden. Es fehle zwar der Vertretungszusatz (als Aufsichtsratsvorsitzender). Der Kläger handele aber rechtsmissbräuchlich, wenn er die Kündigung aus diesem Grund zurückweise, weil ihm der Unterzeichner der Vollmacht als Aufsichtsratsvorsitzender bekannt gewesen sei. Es habe auch ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorgelegen. Dieser liege zwar nicht in der von der A. Zeitung zitierten Äußerung des Klägers über den Verkauf des Unternehmens. Die Beklagte habe aber einen wirksamen Kündigungsgrund nachgeschoben. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, am 22.6.2000 einen sog. Fremdwährungsswap über 10 Mio. DM und einer Laufzeit von 10 Jahren abzuschließen. Er habe dieses Geschäft ohne Wissen und Zustimmung des Aufsichtsrates abgeschlossen. Anders als bei vergleichbaren Geschäften aus der Vergangenheit habe der Swap-Vertrag nicht das Zinsrisiko eines bestimmten Darlehnsvertrages absichern sollen. Dem Swap-Vertrag liege kein Darlehnsvertrag zugrunde und stelle damit ein reines Spekulationsgeschäft dar, das für die Beklagten im Hinblick auf das Währungskursrisiko mit erheblichen Gefahren verbunden sei. Der Kläger habe damit gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verstoßen. Der Kläger sei auch deshalb verpflichtet gewesen, den Aufsichtsrat vor Abschluss des Vertrages zu unterrichten, weil im Zeitpunkt des 22.6.2000 ber...

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