Leitsatz (amtlich)
Rechnet der Vermieter entgegen den Bestimmungen des Mietvertrages die Nebenkosten über mehrere Jahre hinweg nicht ab, so kann er ggü. dem Rückforderungsanspruch des Mieters nicht einwenden, dass durch die Zahlung der Vorauszahlung im selben Zeitraum eine konkludente Vertragsänderung eingetreten sei und die Vorauszahlungen nunmehr als Pauschalbetrag anzusehen seien (Abgrenzung zu BGH NZM 2004, 418; v. 29.5.2000 - XII ZR 35/00, NJW-RR 2000, 1463).
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 07.09.2005; Aktenzeichen 5 O 2446/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.9.2005 verkündete Urteil des LG Magdeburg - 5 O 2446/04 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 7.9.2005 verkündete Urteil des LG Magdeburg unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin insgesamt 43.538,34 EUR nebst Zinsen seit dem 26.2.2005 i.H.v.:
4 % aus 18.292,42 EUR
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.672,69 EUR
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.700,25 EUR
zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Heimtextilien, Betten, Bettwaren und dazugehörigen Randsortimenten. Hinsichtlich der von der Klägerin (= Mieterin) zu zahlenden Nebenkosten heißt es in § 8 des Mietvertrages (u.a.): ...
Für die abzurechnenden Betriebs- und Nebenkosten werden Abschlagszahlungen von 1,20 DM/m2 zzgl. Mehrwertsteuer monatlich von der Mieterin mit der Miete gezahlt.
Eine genaue Abrechnung erfolgt jeweils zum Jahresende nach Rechnungslegung bis spätestens zum 31.3. des Folgejahres. Der Mieterin sind nachprüfbare Belege zur Verfügung zu stellen.
Die Klägerin hat zwischen April 1997 bis November 2003 die vereinbarten Abschlagszahlungen in voller Höhe erbracht, ab Dezember 2003 zahlt sie nur noch einen reduzierten Betrag. Die Beklagte hat für die Jahre 1997 bis 2003 keine Abrechnungen über die Nebenkosten erteilt. Im Wege der Stufenklage hat die Klägerin die Beklagte zunächst auf Rechnungslegung hinsichtlich der Nebenkosten für den genannten Zeitraum 1997 bis 2003 in Anspruch genommen. Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 15.12.2004 hat das LG Magdeburg die Beklagte zur Abrechnung über die Nebenkosten verurteilt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich auf der Grundlage der erstellten Abrechnungen ein rechnerisches Guthaben der Beklagten von
1997 4.961,39 EUR
1998 6.668,34 EUR
1999 6.672,69 EUR
2000 6.672,69 EUR
2001 6.545,23 EUR
2002 6.417,71 EUR
2003 5.864,92 EUR
./. Nachzahlung 2004 127,02 EUR
43.665,95 EUR
ergibt. Die Rückzahlung dieses Betrages verlangt die Klägerin nunmehr mit der Zahlungsklage. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie nicht zur Zahlung verpflichtet sei. Die Klägerin habe über einen langen Zeitraum keine Abrechnung der Nebenkosten verlangt, obgleich sie gewusst habe, dass sie Doppelzahlungen erbringe, weil sie neben den Vorauszahlungen auch direkte Zahlungen an die Versorgungsunternehmen geleistet habe. Es sei somit davon auszugehen, dass durch schlüssiges Verhalten der Mietvertrag dahingehend abgeändert worden sei, dass der Betrag von 1,20 DM/m2 nicht mehr als Vorauszahlung, sondern als Pauschale gezahlt worden sei. Die Beklagte erhebt weiter die Einrede der Verjährung und ist darüber hinaus der Ansicht, dass ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin verwirkt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 145-153 I).
Das LG hat der Klage bis auf den Rückforderungsbetrag für das Jahr 1997 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Eine Vertragsänderung durch schlüssiges Verhalten liege nicht vor. Der Beklagten habe die jährliche Abrechnung oblegen. Dass sie dies unterlassen habe, könne bereits nicht als Angebot zur Vertragsänderung gewertet werden. Die Klägerin habe daher durch bloßes Nichtstun auch ein nicht vorliegendes Angebot nicht annehmen können. Ein Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil die Fälligkeit auch als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährungsfrist erst mit der Vorlage der Abrechnungen zu laufen begonnen habe. Die Ansprüche seien mit Ausnahme des Jahres 1997 auch nicht verwirkt.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Parteien mit Berufung und Anschlussberufung.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Rechtsstandpunkt, dass eine konkludente Vertragsänderung eingetreten sei und die von der Klägerin gezahlten Beträge als Pauschalbeträge anzusehen seien.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 10.10.2...