Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten zur Prüfung der fachlichen Voraussetzungen für eine Beanstandung nach dem Landpachtverkehrsgesetz durch den hierfür zuständigen Landkreis eingeschaltet und musste dem Amt bewusst sein, dass seine Stellungnahme die Rechtsposition eines Dritten berührt, so besteht dessen Amtspflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Sach- und Rechtslage auch diesem Dritten gegenüber.
2. Das LPachtVG legitimiert die zuständige Behörde nicht, den Verpächter zur Vermeidung einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung zu zwingen, einen Pachtertrag mit einem bestimmten Pachtinteressenten abzuschließen bzw. zu verlängern.
3. Innerhalb derselben Kategorie von pachtinteressierten Landwirten - hier: hauptberufliche Landwirte - kommt es nicht darauf an, ob die Verpachtung an einen anderen pachtinteressierten Landwirt u.U. agrarstrukturell günstiger oder wünschenswerter wäre. Eine agrarstrukturelle Vorgabe, dass eine Flächenverpachtung an Betriebe aus ökologischem Landbau gegenüber Betrieben des konventionellen Landbaus vorrangig wäre, ist nicht ersichtlich.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 02.09.2010; Aktenzeichen 4 O 1714/09) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Einzelrichters des LG Halle vom 2.9.2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das beklagte Land ist gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG verpflichtet, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Landwirtschaftsgericht Halle - Az.: 121 Lw 9/07 - i.H.v. 2.719,87 EUR zu ersetzen.
1. Wie der Senat bereits in dem Vorprozess der Klägerin gegen den Landkreis M. (Az.: 2 U 40/09 = 4 O 1251/08 LG Halle) ausgeführt hat, hat der BGH durch Urt. v. 1.2.2001 - Az.: III ZR 193/99 - (BGHZ 146, 365, 368 ff.; vgl. auch Wurm in Staudinger, a.a.O., § 839 Rz. 72) in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Amtspflichten, die eine intern eingeschaltete sachverständige Fachbehörde wahrzunehmen hat, auch gegenüber einem Dritten bestehen kann, wenn der zur Begutachtung herangezogenen Behörde klar sein musste, dass ihre Stellungnahme die Rechtsposition eines bestimmten Dritten tangiert. So verhält es sich im vorliegenden Fall.
Durch Ministerialerlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 16.6.2003 (Az.: 61.2-60041/60042) ist, wenn die Landkreise und kreisfreien Städte nicht über die erforderlichen Erkenntnisse, Daten oder Sachkenntnisse verfügen, die Prüfung der fachlichen Voraussetzungen für eine Beanstandung nach dem Landpachtverkehrsgesetz (LpachtVG) den jeweiligen Ämtern für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten als sachverständigen Fachbehörden übertragen. Das Ergebnis dieser Prüfung soll, so ausdrücklich Ziff. 5. des Erlasses, von den Landkreisen und kreisfreien Städten ihrer - gegenüber den Pachtvertragsparteien zu treffenden - Entscheidung zugrunde gelegt werden. Darauf, dass die Ämter für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten im Verhältnis zu den Landkreisen und kreisfreien Städten nicht weisungsbefugt sind, kommt es für deren Haftung nicht an.
2. Mit der Abgabe seiner fachlichen Stellungnahme vom 21.8.2007 hat das damalige Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALF)... eine Amtspflicht schuldhaft verletzt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat jeder Inhaber eines öffentlichen Amts bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach auf Grund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Auch wenn es um eine Rechtsfrage geht, zu der es noch keine Rechtsprechung und noch keine Stellungnahme im Schrifttum gibt, kann ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründet sein, wenn sich Auslegung und Anwendung so weit von Wortlaut und Sinn des Gesetzes entfernen, dass das gewonnene Ergebnis nicht mehr als vertretbar angesehen werden kann. Dagegen fehlt es am Verschulden bei einer zwar unrichtigen, aber nach gewissenhaften Prüfung der zu Gebote stehenden Hilfsmittel auf vernünftige Überlegungen gestützten Auslegung bei solchen Gesetzesbestimmungen, die für die Auslegung Zweifel in sich tragen, namentlich dann, wenn die Gesetzesbestimmung neu ist und die auftauchenden Auslegungsfragen noch nicht ausgetragen sind. Dass seine nach sorgfältiger Prüfung erlangte und vertretbare Rechtsauffassung später von den Gerichten missbilligt wird, kann dem Beamten nicht rückschauend als Verschulden angelastet werden (so BGH, Urt. v. 23.10.2003 - Az.: III ZR 9/03 -, NJW 2003, 3693, 3696 f.).
b) In diesem Sinne war die Annahme der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2 LPachtVG durch das ALF unvertretbar.
aa) Nach § 4 Abs. 1 LPachtVG kann die zuständige Behörde einen anzu...