Leitsatz (amtlich)

Ob eine so genannte Gelegenheitsursache in der Unfallversicherung bereits bei der haftungsbegründenen Kausalität Berücksichtigung finden darf, erscheint zweifelhaft.

Für die Abgrenzung zwischen altersgerechter Abnutzung und Gebrechen kann es bei älteren Personen weniger auf den Befund einer Rotorenmanschettenruptur als solchen ankommen, als vielmehr darauf, welche Qualität und welchen Schweregrad eine solche Ruptur aufgewiesen hat.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Urteil vom 28.03.2014; Aktenzeichen 21 O 184/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das Urteil des LG Stendal vom 28.3.2014, Az.: 21 O 184/12, nebst dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

2. Die Sache wird an das LG Stendal zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufung, zurückverwiesen.

3. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Invaliditätsansprüche aus einer mit der Beklagten geschlossenen Unfallversicherung geltend.

Der Kläger unterhält ausweislich des Versicherungsscheins vom 13.5.2008 (Bl. 12, 13 Bd. I d.A.) und eines Nachtrags vom 21.10.2009 (Bl. 42 Bd. I d.A.) bei der Beklagten eine dynamische Unfallversicherung mit einer vereinbarten Invaliditätssumme von 35.000,-- EUR unter Geltung der A. AUB I S (Bl. 30 bis 41 Bd. I d.A., im Folgenden: AUB), die eine Invaliditätsleistung erst ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 20 % vorsehen.

Der heute 68-jährige Kläger, der sich wegen Beschwerden in seiner rechten Schulter bereits zuvor in orthopädischer Behandlung befunden hatte, begab sich, wenige Tage nach einem Unfall, der sich am 16.5.2010 ereignet hatte und dessen genauer Hergang zwischen den Parteien umstritten ist, wegen einer Schulterverletzung in ärztliche Behandlung. Mittels einer daraufhin veranlassten MRT-Untersuchung wurden bei ihm im rechten Schulterbereich eine Rotorenmanschettenmassenruptur mit vollständiger Ruptur der Supraspinatussehne, eine Zerrung der Infraspinatussehne sowie Faserläsionen in der Deltoideusmuskulatur und zudem eine Funktionsbeeinträchtigung der Gelenkbeweglichkeit wie auch eine Schleimbeutelentzündung festgestellt. Nachdem konservative Behandlungmöglichkeiten ausgeschöpft waren und keine Besserung mehr versprachen, entschloss man sich zu einem operativen Eingriff, der am 24.6.2010 mit dem Ziel einer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette stattfand. Aufgrund einer hierbei eingetretenen Infektion des Schultergelenks musste der Kläger sich in der Folge mehreren Revisionsoperationen unterziehen.

Zwischen den Parteien ist vor allem streitig, mit welchem Invaliditätsgrad die danach dauerhaft verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Arms zu bemessen sind und in welchem Umfang eine Invalidität auf den Unfall und inwieweit auf die Mitwirkung bereits zuvor vorhandener degenerativer Schäden zurückzuführen ist.

Der Kläger hat behauptet, dass am 16.5.2010 ein Pferd, von ihm gehalten mit einem etwa zwei Meter langen Führstrick, unerwartet versucht habe, sich loszureißen. Hierdurch habe er sich eine Schulterverletzung zugezogen, wodurch die Funktionsfähigkeit seines rechten Armes zu 15/20 dauerhaft beeinträchtigt worden sei. Die bereits vor dem Unfall bei ihm bestehende Arthrose des Schultergelenks sei hingegen als altersgemäß einzuschätzen und habe die nunmehr bestehende Funktionsbeeinträchtigung des Arms um weniger als 25 % mitverursacht, weshalb sie nach den Versicherungsbedingungen unberücksichtigt bleiben müsse. Nach der vertraglich vereinbarten Gliedertaxe, die bei völliger Funktionsunfähigkeit eines Arms einen Invaliditätsgrad von 70 % vorsehe, folge daraus ein Invaliditätsgrad von 52,50 %, der unter Berücksichtigung der vereinbarten Invaliditätssumme von 35.000,-- EUR eine zu beanspruchende Invaliditätsleistung in Höhe von 18.375,-- EUR bedeute.

Nachdem antragsgemäß im mündlichen Termin am 1.3.2013 zunächst ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte auf Zahlung von 18.375,-- EUR nebst Zinsen und außergerichtlichen Anwaltskosten vom LG erlassen worden ist, hat der Kläger nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten beantragt, das Versäumnisurteil vom 1.3.2013 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 1.3.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat eine über 5/10 hinausgehende Funktionsbeeinträchtigung des rechten Arms des Klägers bestritten, wobei der maximal sich ergebende Gesamtinvaliditätsgrad von 35 % überwiegend, nämlich zu 60 %, auf bereits vor dem Unfall bestehende degenerative Schädigungen im rechten Schulterbereich des Klägers zurückzuführen sei. Damit reduziere sich der allein unfallursächliche Grad der Invalidität auf 14 %, womit ein nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen für einen Leistungsanspruch erforderlicher Mindestinvaliditätsgrad von 20 % nicht mehr erreicht werde.

Das LG hat Beweis erhoben, und zwar zunächst zum Unfallher...

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