Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Abschlagszahlung kann nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden, wenn bei Klageerhebung bereits Schlussrechnungsreife eingetreten war.
2. Zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vergütung von Bereitschaftszeiten des Bauunternehmers bei einem gerichtlich angeordneten Baustopp gegenüber dem Auftraggeber.
2.1 Als Anordnung des Auftraggebers i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B ist auch die Mitteilung über einen gerichtlich angeordneten Baustopp anzusehen, wenn sie mit der Aufforderung verbunden wird, dieser Anordnung Folge zu leisten.
2.2 Die Anordnung eines vorläufigen Baustopps ohne gleichzeitige Anordnung der Räumung der Baustelle kann in einem Vertragsverhältnis, in dem es dem Bauunternehmer grundsätzlich obliegt, die Ausführung der Vertragsleistungen organisatorisch und insbesondere zeitlich selbst zu koordinieren, zu einer erheblichen Störung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses zwischen Preis und Leistung führen.
2.3 Für die Vergütungspflicht kommt es nicht darauf an, ob die Anordnung des Auftraggebers i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B vertraglich erlaubt bzw. vorgesehen war oder vom Auftragnehmer lediglich widerspruchslos im Rahmen seiner Kooperationspflicht akzeptiert und umgesetzt wurde.
3. Zur Ermittlung des neuen Vertragspreises für Bereitschaftszeiten des Auftragnehmers und eines Nachauftragsnehmers.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 06.10.2009; Aktenzeichen 11 O 616/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.10.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67.380,12 EUR nebst Zinsen hierauf i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 24.11.2008 bis zum 20.1.2009 und ab dem 5.7.2010 sowie weitere 1.580 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten weitere Vergütung in Form sog. Stillstandskosten wegen eines Baustopps.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 25.5.2007 mit Sanierungsarbeiten an Hochwasserschutzeinrichtungen an der Elbe bei W., und zwar an neunzehn Buhnen im Abschnitt des rechten Elbufers im Bereich der Flusskilometer 240 bis 270 sowie im Abschnitt des linken Elbufers im Bereich der Flusskilometer 250 bis 270. Die Auftragserteilung erfolgte im Rahmen eines Vergabeverfahrens auf der Grundlage des Angebots der Klägerin vom 7.5.2007. Die VOB Teil B 2006 war in den Vertrag einbezogen.
Nach der von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Baubeschreibung war die Auftraggeberin für die Abstimmung der Maßnahmen mit den Umweltbehörden verantwortlich (vgl. Ziff. 2.9 ABB, GA Bd. I Bl. 12 Rs.). Als Ausführungsfristen waren lediglich der Beginn und der Fertigstellungstermin bestimmt (vgl. Ziff. 7 der Besonderen Vertragsbedingungen - BVB -, GA Bd. I Bl. 16 Rs.); hieraus ergab sich eine Bauzeit von 27 Wochen. Die zeitliche Ausführungsplanung im Übrigen oblag dem Auftragnehmer (vgl. Ziff. 3.2.1 und 3.2.2 ABB, GA Bd. I Bl. 13 und 13 Rs.). Der Auftragnehmer hatte dabei auch das Risiko ungeeigneter Wasserstände u. Ä. zeitlich und preislich in seiner Kalkulation zu berücksichtigen. In Ziff. 8 BVB enthielt der Vertrag eine Regelung zur Behinderung und Unterbrechung der Ausführung der Arbeiten "in Ergänzung von § 6 VOB/B"; darin hieß es:
"Die Bauausführung ist in ihrer Durchführung von den Wasserständen der Elbe und von Witterungseinflüssen (Frost, Schnee, Regen) abhängig. Darauf hat sich der Bieter bei seiner Kalkulation einzustellen.
Dem Auftraggeber werden Kosten, die ihm durch die Unterbrechung der Bauarbeiten infolge hoher Wasserstände (z.B. auch Hochwasserschäden) und andere vom Auftraggeber nicht verschuldete Unterbrechungen (z.B. Schiffshavarien) entstehen, nicht vergütet.
Bei witterungs- und wasserstandsbedingten Unterbrechungen kann die Ausführungsfrist gem. § 6 Nr. 2 (1c) und (2) VOB/B entsprechend verlängert werden.
...
Der Auftraggeber ist rechtzeitig über die Notwendigkeit von Unterbrechungen zu informieren." (GA Bd. I Bl. 17).
Die Bauausführung begann erheblich verspätet erst nach Ablauf des ursprünglich vorgesehenen Fertigstellungstermins im Juni 2008.
Während der Ausführung der Leistungen durch die Klägerin übersandte die Beklagte ihr am 10.9.2008 ein Telefax mit dem Betreff "Baubehinderung durch Baustopp - Beschluss OVG v. 9.9.2008 - Klage B. ", mit dem es nach der Anrede hieß:
"Der B. (B.) hat gegen die o.a. Unterhaltungsmaßnahme beim OVG Sachsen-Anhalt geklagt. Das OVG hat einen vorläufigen Baustopp für die Maßnahmen bis zum abschließenden Urteil erlassen.
Aus diesem Gru...