Leitsatz (amtlich)

Kommt es in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Ein- bzw. Anfahren zu einer Kollision, so spricht der Anschein gegen den Anfahrenden und zwar auch gegenüber einem Fahrspurwechsler. Der Anfahrende kann sich nicht darauf verlassen, dass ein hinter ihm auf seine Parklücke wartender Pkw seine Fahrspur "sperrt".

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 06.06.2012; Aktenzeichen 6 O 12/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.6.2012 verkündete Urteil des LG Halle (6 O 12/12) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert:

1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 43,- Euro nebst Zinsen i.H.v. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 93,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2011 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte werden verurteilt, an den Beklagten zu 2) 5.778,75 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2011 zu zahlen.

5. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten werden verurteilt, an die Beklagten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 546,69 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2011 zu zahlen.

6. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 80 % und die Beklagten zu 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.104,01 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger und der Beklagte zu 2) machen wechselseitig Ansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfallgeschehen geltend. Der Unfall ereignete sich am 30.3.2011 gegen 15.50 Uhr in der B. Straße in E. (zur Unfallörtlichkeit insbesondere die Fotos Bl. 91 und Bl. 92). Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig parkte der Kläger am rechten Fahrbahnrand und wollte ausparken. Hinter ihm stand der Zeuge K. mit seinem Fahrzeug, einem Renault Espace. Ob der Zeuge so weit rechts stand, dass ihn ein anderes Fahrzeug links überholen/an ihm vorbei fahren konnte, oder ob er soweit mittig stand, dass dies nur unter (Mit-)Nutzung des Bürgersteigs möglich war, ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig. Nach Bekundung des Zeugen K. ist die Stellung seines Fahrzeuges auf der von der Polizei gefertigten Skizze (Bl. 2 in 363 Js 26486/11 der StA Halle; i. F. BA) unrichtig dargestellt. Sein Fahrzeug habe sich weiter in der Straßenmitte befunden.

Nach dem Vortrag des Klägers näherte sich die Beklagte zu 3) von hinten den Fahrzeugen des Klägers und des Zeugen K.. Sie habe dabei eine unangemessen hohe Geschwindigkeit auch bei Annäherung an die beiden Fahrzeuge beibehalten. Dies sei dem Zeugen K. aufgefallen und dieser habe die Warnblinkanlage eingeschaltet. Die Beklagte zu 3) habe dann mit ungebremster Geschwindigkeit das Fahrzeug des Zeugen K. umfahren. Dazu habe sie mit den linken Rädern den Bürgersteig überfahren müssen. Unmittelbar vor dem Fahrzeug des Zeugen K. sei die Beklagte zu 3) wieder auf die Straße zurück und habe dabei das in diesem Augenblick stehende Fahrzeug des Klägers gestreift.

Die Beklagten sind dieser Darstellung des Unfallhergangs entgegengetreten. Sie bestreiten, dass die Beklagte zu 3) über den Bürgersteig gefahren sei. Es sei vielmehr ausreichend Platz gewesen, um an dem Fahrzeug K. mit angepasster Geschwindigkeit vorbeizufahren. In diesem Augenblick sei der Kläger vom Fahrbahnrand angefahren und habe das Fahrzeug des Beklagten zu 2) gerammt. Dadurch sei das Fahrzeug gegen den linken Bürgersteig gedrückt worden.

Der Kläger hat zunächst Klage beim AG Eisleben erhoben und seinen Schaden wie folgt berechnet:

Reparaturkosten

2.072,01 EUR

Kostenpauschale

25,- Euro

2.097,01 EUR

Auf diesen Betrag hat die Beklagte zu 1) 500,- Euro gezahlt. Mit der Klage macht der Kläger die Differenz von 1.597,01 EUR geltend und verlangt Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 272,87 EUR (ausgehend von einem Gegenstandswert von 2.097,01 EUR).

Der Beklagte zu 2) hat Widerklage erhoben und die Klage auch auf die Drittwiderbeklagte erstreckt. Der Beklagte zu 2) beziffert seinen Schaden auf 7.507,- Euro:

Wiederbeschaffungswert

11.200,- Euro

Nutzungsausfall für 9 Werktage (× 43,- Euro)

387,- Euro

Wertminderung

450,- Euro

Kostenpauschale

25,- Euro

12.062,- Euro

./. Restwert

4.555,- Euro

Weiter verlangt auch der Beklagte zu 2) Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 661,16 EUR (nach einem Gegenstandswert von 7.507,- Euro).

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Das LG hat Zeugenbeweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 16.5.2012 (Bl. 98 ff.).

Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen und zur Begrün...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge