Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gerichtsstandsbestimmung kann analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch in Fällen erfolgen, in denen eine allgemeine Zivilkammer und eine Kammer mit Spezialzuständigkeit nach § 72a GVG jeweils verbindlich ihre funktionelle Zuständigkeit ablehnen und die Zuständigkeitsbestimmung aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu erfolgen hat.
2. Eine Veröffentlichungsstreitigkeit gemäß § 72a Abs. 1 Nr. 5 GVG n.F. liegt auch dann vor, wenn die inkriminierte Veröffentlichung eine Privatperson (hier: Veröffentlichung auf öffentlicher "Facebook-Seite") vorgenommen hat und keinen "journalistischen Fachbezug" aufweist.
Normenkette
GVG § 72a; ZPO § 36
Tenor
Die für Ansprüche aus Veröffentlichungen zuständigen Zivilkammern des Landgerichts Regensburg werden als funktionell zuständige Spruchkörper bestimmt (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog).
Gründe
I. Der Antragsteller verlangt vom Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung von unwahren und ehrverletzenden Behauptungen auf einer von diesem betriebenen öffentlichen Facebook-Seite.
Die inkriminierten Äußerungen gründen auf dem Vorwurf des Antragsgegners, der Antragsteller habe in seiner früheren Funktion als Stadtrat der Stadt Roding eine vom Antragsgegner angestrebte Firmenerweiterung in unredlicher Weise zugunsten einer Wohnbebauung vereitelt. Das Thema soll daraufhin auch von der Lokalpresse aufgegriffen worden sein.
Der beim Landgericht Regensburg eingereichte Verfügungsantrag ist bei der für allgemeine Zivilsachen zuständigen 3. Zivilkammer eingetragen worden. Die Einzelrichterin der 3. Zivilkammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. März 2021 (Bl. 25 ff. d.A.) an die 1. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg abgegeben. Der Beschluss wurde den Verfahrensbeteiligten bekanntgegeben. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Regensburg sei für erstinstanzliche Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in der Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen (§ 72a Abs. 1 Nr. 5 GVG) die 1. Zivilkammer zuständig. Hiervon seien auch - wie vorliegend - Veröffentlichungen auf einer öffentlich betriebenen Facebook-Seite erfasst. Es sei daher die 1. Zivilkammer für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.
Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg hat mit Beschluss vom 3. März 2021 eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Akten dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Bestimmung der Zuständigkeit analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass die Spezialzuständigkeit des § 72a Abs. 1 Nr. 5 GVG nicht eröffnet sei, weil sich der einstweilige Verfügungsantrag gegen keine journalistische Veröffentlichung wende. Bei den monierten Äußerungen stehe evident ein privates Interesse des Antragsgegners im Vordergrund. Sinn und Zweck sowie die Gesetzeshistorie des § 72a Abs. 1 Nr. 5 GVG sprächen dafür, dass der Gesetzgeber keine Spezialzuständigkeit für alle veröffentlichten Persönlichkeitsrechts- und Gewerbebetriebsverletzungen einführen habe wollen, sonst wäre auch die Bezeichnung "Pressesachen" sicherlich nicht gewählt worden.
II. 1. Das Oberlandesgericht Nürnberg ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das nächsthöhere Gericht für die Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Eine Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgericht ist gemäß § 9 EGZPO nicht gegeben, da es sich um einen Zuständigkeitsstreit zwischen Spruchkörpern eines zum Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg gehörenden Landgerichts handelt.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog liegen vor.
a) Grundsätzlich erfordert § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 37 ZPO einen Kompetenzkonflikt zwischen verschiedenen Gerichten, bei Streit über die gesetzlich nicht geregelte gerichtsinterne Geschäftsverteilung innerhalb desselben Gerichts greift in der Regel § 21e GVG ein (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 36 Rn. 39). Allerdings ist die Vorschrift nach allgemeiner Ansicht entsprechend anwendbar, wenn mehrere Spruchkörper des gleichen Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung abhängt (OLG Frankfurt, NJW-RR 2018, 1274 Rn. 12; OLG Nürnberg, NJW-RR 2018, 1274; KG, MDR 2018, 820; Zöller/Schultzky, a.a.O.). Dies ist etwa der Fall, wenn sich eine Zivilkammer und eine Kammer für Handelssachen eines Landgerichts untereinander für unzuständig erklärt haben (BGHZ 71, 271) oder im Verhältnis von allgemeiner Zivilkammer und Kammer mit Spezialzuständigkeit nach § 72a GVG (OLG Nürnberg, NJW-RR 2018, 1274; KG, NJW-RR 2018, 639; OLG Bamberg, NJW-RR 2018, 1386; BeckOK ZPO/Toussaint, ZPO, 39. Ed., § 36 Rn. 38.2).
Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 37 ZPO erfüllt. Nach dem am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen § 72a Ab...