Leitsatz (amtlich)
Der Wegfall des Lokalisationsprinzips durch § 78 Abs. 1 ZPO (Fassung 1.1.2000) hat für die Auslegung des Merkmals „notwendig” in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO keine Änderung mit sich gebracht. Es verbleibt bei der einzelfallbezogenen Prüfung und den dabei entwickelten Grundsätzen.
Normenkette
ZPO § 78 Abs. 1, § 91 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 3 O 6422/01) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem LG Nürnberg-Fürth vom 11.7.2002 wird zurückgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert beträgt 451,28 Euro.
4. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim LG Nürnberg-Fürth ist zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht hat der Rechtspfleger die geltend gemachten Beträge für Abwesenheitsgeld und Reisekosten abgesetzt. Diese Kosten sind dem Kläger durch die Beauftragung seines nicht am Prozessgericht zugelassenen, aufgrund der Gesetzesänderung von § 78 Abs. 1 ZPO jedoch postulationsfähigen Rechtsanwaltes entstanden. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich nicht nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO, da diese Vorschrift nur den Fall der „kleinen Distanz” (Zulassung zwar am Prozessgericht, Wohnsitz jedoch an einem anderen Ort) regelt OLG Bamberg (OLGReport Bamberg 2001, 117). Einschlägig ist vielmehr § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO. Bei dessen Auslegung darf jedoch die Regelung von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht unberücksichtigt bleiben. Die Annahme, dass der Anwalt der „großen Distanz” (Zulassung nicht am Prozessgericht, dort aber seit 1.1.2000 postulationsfähig) grundsätzlich Reisekosten erstattet erhält, der Anwalt der „kleinen Distanz” auf Grund Gesetzeslage aber nicht, würde für § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO einerseits und für § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO zu sachlich nicht gerechtfertigten konträren Ergebnissen führen, die mangels entspr. Anhaltspunkte vom Gesetzgeber nicht gewollt sind. Sie zu vermeiden erfordert, weiterhin bei S. 1 die zur Frage der Notwendigkeit entwickelten Grundsätze zu beachten.
Vorliegend scheitert die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten daran, dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren. Seit der Neufassung von § 78 Abs. 1 ZPO werden zur Frage der Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten unterschiedliche Meinungen vertreten. Während etwa das OLG Düsseldorf meint, dass nach dem Wegfall des Lokalisationsprinzips die Reisekosten zu erstatten seien (OLG Düsseldorf v. 17.1.2001 – 3 Wx 380/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 409), sieht das OLG München (OLG München OLGReport München 2001, 241) auch nach Änderung von § 78 Abs. 1 ZPO keine Veranlassung, nunmehr eine grundsätzliche Änderung der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten anzunehmen. Der Senat teilt die zuletzt genannte Auffassung (so bereits OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.5.2002 – 3 W 1503/02, OLGReport Nürnberg 2003, 23; v. 2.7.2002 – 3 W 1640/02), zumal nach seiner Einschätzung von der Gegenmeinung dem weiterhin geltenden Tatbestandsmerkmal „notwendig” häufig zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Gesetzgeberisches Ziel bei der Änderung des „Berufsrechtsneuordnungsgesetzes” vom 17.12.1999 war in erster Linie eine Angleichung der Postulationsfähigkeit von Rechtsanwälten aus den alten und aus den neuen Bundesländern (vgl. Kirchberg, NJW 2000, 486; v. Lambsdorff, AnwBl. 2000, 100). Diese Neuordnung wurde nicht zum Anlass genommen, zugleich § 91 ZPO abzuändern. Es besteht daher keine Veranlassung, von den zur Frage der Notwendigkeit von Kosten bei § 91 ZPO entwickelten Grundsätzen abzugehen. Dies gilt insb. für das z.B. vom OLG Bamberg (OLG Bamberg OLGReport Bamberg 2001, 117) für seine gegenteilige Ansicht angeführte Kostenargument. Dieses ist als Auslegungsmittel für die Prüfung der „Notwendigkeit” unbrauchbar. Ob ein Verfahren kostengünstig ist, richtet sich nach den angefallenen bzw. anfallenden Kosten. Diese ergeben sich – von den hier nicht interessierenden Gerichtskosten abgesehen – aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und seinem Mandanten, insb. also nach den Regelungen der BRAGO. So hatte etwa ein Rechtsanwalt ggü. seinem Mandanten gem. § 28 BRAGO schon vor dem 1.1.2000 einen Anspruch auf Vergütung seiner Tage- bzw. Abwesenheitsgelder und seiner Reisekosten, ohne dass hieraus für das früher in erster Linie relevante Problem der Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten Folgerungen gezogen worden wären.
Ungeachtet der vorstehenden Überlegungen werden sich jedoch als Folge (und nicht als primäres gesetzgeberisches Ziel) der erweiterten Postulationsfähigkeit künftig Prozesse einfacher und kostengünstiger gestalten (Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 78 ZPO Rz. 1). Dies betrifft vor allem die häufigen Fallgestaltungen, in denen sich eine Partei eines Verkehrsanwaltes bediente, obwohl dessen Kosten nur unter engen Voraussetzungen erstattungsfähig waren (Z...