Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführung durch Werbung mit konkreten therapeutischen Effekten eines Arzneimittels ohne hinreichenden Nachweis
Leitsatz (amtlich)
1. Ob bei einem Wettbewerbsverstoß die für jeden Fall der Zuwiderhandlung angebotene Vertragsstrafe von 5.100,00 EUR derart gering ist, dass Bedenken hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Unterlassungsversprechens bestehen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.
2. Bei der Werbeaussage, dass in einem Arzneimittel die "besten Inhaltsstoffe in hoher Konzentration enthalten" seien, handelt es sich zwar nicht lediglich um eine nichtssagende reklamehafte Übertreibung. Sie enthält jedoch keine Alleinstellungswerbung, sondern nur einen Hinweis auf die sehr gute Qualität der Inhaltsstoffe.
3. Eine Werbung ist als Spitzenstellungswerbung irreführend, wenn der Werbende nicht darlegt und unter Beweis stellt (bzw. im Verfügungsverfahren glaubhaft macht), dass die Spitzenstellungsbehauptung der Wahrheit entspricht.
4. Eine Werbeaussage bezieht sich auf die therapeutische Wirksamkeit i.S.v. § 3 S. 1 Nr. 1 HWG, wenn mit den pharmakologischen Wirkungen des Arzneimittels konkrete therapeutische Effekte beim Patienten verknüpft werden. Sie ist irreführend, wenn die in Bezug genommene Studie die Werbeaussage nicht trägt.
Normenkette
BGB § 339; HWG § 3; UWG §§ 3a, 5, 12 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 22.05.2018; Aktenzeichen 3 HK O 2081/18) |
Tenor
Der Senat hat das Terminsverlegungsgesuch des Beklagtenvertreters vom 11.08.2018 und die damit notwendigerweise verbundene nicht unerhebliche zeitliche Verzögerung des Eilverfahrens zum Anlass genommen, die Sache noch einmal ausführlich zu beraten. In dieser Beratung ist er einstimmig zu der Auffassung gelangt, dass die Berufungen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufungen nicht geboten ist.
Der Senat beabsichtigt daher, die Berufungen gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22.05.2018, Az. 3 HK O 2081/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
A. Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.
Die Verfügungsbeklagte stellt das apothekenpflichtige Arzneimittel S.* extract, das für das Anwendungsgebiet "akute, unkomplizierte Entzündungen der Nasennebenhöhlen (akute, unkomplizierte Rhinosinusitis)" zugelassen ist, her. Sie warb in der Ausgabe November 2017 in einer Beilage der Zeitschrift "PTAheute - Zeitschrift der Deutschen Apotheker Zeitung für PTA", die sich an Mitarbeiter von Apotheken wendet, mit einer Beilage für dieses Produkt (Anlage AST 6). Darin traf sie u.a. die folgenden Werbeaussagen:
1. "Die starke und evidenzbasierte Empfehlung ist S.* extract. Das Phytopharmakon löst dank seiner vierfach konzentrierten Wirkkraft* effektiv den Schnupfen, öffnet die Nase und befreit den Kopf."
2. "Die Formel lautet:
höchste Drogenqualität
(= beste Ausgangsstoffe)
+ höchste Extraktqualität
(= bestes Herstellungsverfahren)
= bestes Produkt: S.* extract!"
3. "Der 'S.*'-Effekt wird dosisabhängig vermittelt: Die einfache Gleichung, die sich hieraus ergibt: Mehr Bioflavonoide bedeutet: stärkere sekretolytische Wirkung. S.* extract ist höher konzentriert = stärker wirksam!"
4. "Und auch in diesem Fall gilt, dass der Effekt dosisabhängig vermittelt wird und S.* extract dank seiner hohen Konzentration an Bioflavonoiden effektiv der Entzündung entgegenwirkt."
5. "In S.* extract sind die 'besten Inhaltsstoffe' in hoher Konzentration enthalten."
6. "Eine Unterscheidung zwischen 'Schnupfen' und 'Nasennebenhöhlenentzündung' ist für die Empfehlung von S.* extract aber auch nicht nötig - es eignet sich für beides. Eine frühzeitige Einnahme von BNO 1016 ist jedoch ratsam, damit sich aus dem Schnupfen erst gar nicht keine Nasennebenhöhlenentzündung entwickeln kann, bzw. auch, um die Gefahr eines Etagenwechsels zu verringern."
Der Verfügungskläger erlangte von der angegriffenen Werbung am 02.03.2018 aufgrund einer Email eines Mitbewerbers der Verfügungsbeklagten Kenntnis.
Nach Abmahnung vom 05.03.2018 - unter Hinweis auf die Unterlassungserklärungen vom 08.03.2017 und vom 24.03.2017 - gab die Verfügungsbeklagte am 15.03.2018 eine auf bestimmte Werbeaussagen bezogene und mit einer Vertragsstrafe von 5.100,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung bewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlagen AG 2 = ASt 11).
Mit Endurteil vom 22.05.2018 untersagte das Landgericht Nürnberg-Fürth der Verfügungsbeklagten die Werbeaussagen Ziffern 2., 3. und 4. Wegen des Inhalts wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien in der Berufung. Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insg...