Leitsatz (amtlich)

§ 1 ThUG ist auf Personen nicht anwendbar, die lediglich gem. § 275a Abs. 5 StPO a.F. in Erwartung der Anordnung der Sicherungsverwahrung einstweilen untergebracht waren, gegen die im Hinblick auf das Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung eine solche Anordnung aber nicht ergangen ist.

 

Normenkette

ThUG §§ 1-2; StPO a.F. § 275a Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 29.11.2011; Aktenzeichen 7 AR 34/11 ThUG)

 

Tenor

Die Beschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt S. vom 20.12.2011 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Regensburg vom 29.11.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Betroffene wurde am 10.10.2011 vom LG M. wegen versuchten Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, im ersten Fall zudem mit schwerem Raub und im zweiten Fall mit Geiselnahme, zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt; diese Strafe war mit Ablauf des 17.8.2011 vollständig verbüßt.

Am 1.2.2011 beantragte die Staatsanwaltschaft M. die nachträgliche Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung anzuordnen. Mit Beschluss des LG M. vom 9.8.2011 wurde die einstweilige Unterbringung des Betroffenen gem. § 275a Abs. 5 StPO a.F. angeordnet, die bis zum 9.11.2011 in der Justizvollzugsanstalt S. vollzogen wurde. Mit noch nicht rechtskräftigem Urteil des LG M. vom 23.11.2011 wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung als unbegründet abgelehnt.

Am 4.11.2011 beantragte der Leiter der Justizvollzugsanstalt S. bei dem LG Regensburg die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung gem. § 1 ThUG sowie die vorläufige Unterbringung gem. § 14 Abs. 1 ThUG anzuordnen.

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat die 7. Zivilkammer des LG Regensburg den Antrag auf einstweilige Anordnung einer vorläufigen Unterbringung des Betroffenen nach dem Therapieunterbringungsgesetz zurückgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass § 1 ThUG auf den Betroffenen nicht anwendbar sei, da sich dieser - auch unter Berücksichtigung der vorläufigen Unterbringung nach § 275a Abs. 5 StPO a.F. - nicht im Vollzug der Sicherungsverwahrung befunden habe.

Gegen den am 6.12.2011 zugestellten Beschluss hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt S. mit Schriftsatz vom 20.12.2011, der am selben Tage beim LG Regensburg einging, unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 30.9.2011 - 5 W 212/11-94, Beschwerde eingelegt.

Mit Beschluss vom 28.12.2011 hat die 7. Zivilkammer des LG Regensburg der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) und Antragstellers ist gem. § 16 Abs. 1 ThUG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 16 Abs. 2, 3 ThUG i.V.m. §§ 58 ff FamFG).

2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da das LG zu Recht und mit zutreffender Begründung entgegen der Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 30.9.2011 davon ausgegangen ist, dass auf den Betroffenen das Therapieunterbringungsgesetz nicht anwendbar ist.

Das LG hat in der angefochtenen Entscheidung hierzu ausgeführt:

"§ 1 ThUG ist nach Ansicht der Kammer nicht anwendbar auf Personen, die - wie der Betroffene - lediglich gem. § 275a Abs. 5 StPO a.F. in Erwartung der Anordnung der Sicherungsverwahrung einstweilen untergebracht waren, gegen die im Hinblick auf das Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung eine solche Anordnung aber nicht erging.

Der Anwendung von § 1 ThUG auf diese Personengruppe steht der Wortlaut der Norm entgegen.

Nach § 1 Abs. 1 ThUG ist eine Therapieunterbringung nur zulässig gegen eine Person, die "nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann". Gemäß § 1 Abs. 2 ThUG ist Abs. 1 unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person "sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde". Insoweit kann offen bleiben, ob die Formulierung in Abs. 1 auch eine Interpretation dahingehend zuließe, dass davon auch solche Personen erfasst sind, die zwar bislang nicht in der Sicherungsverwahrung untergebracht waren, für die nach bisheriger Rechtslage aber die Voraussetzungen einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorgelegen hätten und gegen die nunmehr die Anordnung von Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die jüngere Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG zum Verbot rückwirkender Verschärfungen "nicht länger" - im Sinne von "anders als bisher" - möglich ist (so OLG Saarbrücken, 30.9.2011 - 5 W 212/11). Weil die auszulegende Norm Eingriffsvoraussetzungen für eine Freiheitsentziehung regelt, markiert der Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Dies ergibt sich schon aus dem Vorbehalt des Gesetzes in Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG (BVerfG, 25.2.2009, 2 BvR 1537/08). Nachdem im Hinblick auf die Formulierung "nicht länger untergebracht werden kann" ein besonderer juristischer Sprachgebrauch nicht festzustellen ist, ist die Bedeutung nach dem allg...

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