Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesmutter, Anschlußbeschwerde, Flüchtlingseigenschaft, Gewöhnlicher Aufenthalt, Verfahrenskostenhilfe, Eheschließungswille, Rechtskräftige Feststellung, Reiseausweis für Flüchtlinge, Materielle Rechtskraft, Staatsangehörigkeitsrecht, Standesamtsaufsicht, Anzuwendendes Recht, Bundesverwaltungsgericht, Beweiskraft, Ehegattenbedarf, Öffentliche Urkunde, Beschwerdeverfahren, Wirksamkeitsvoraussetzung, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde
Verfahrensgang
AG Weiden i.d. OPf. (Beschluss vom 18.12.2023; Aktenzeichen UR III 15/22) |
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 18.12.2023 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Identität der Beteiligten zu 2 als geklärt anzusehen ist.
2. Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beteiligten zu 3) wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe mit Wirkung ab Antragstellung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe
l. Gegenstand des Verfahrens ist eine Zweifelsvorlage des Standesamts zu einem Geburtseintrag.
Das Kind wurde am ... in W. i.d.OPf. geboren. Die Kindesmutter ist die - nicht nachgewiesen - afghanische Staatsangehörige geboren am ... . Ihr wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom die Flüchtlingseigenschaft nach S. 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt. Sie verfügte bei Antragstellung über einen gültigen Reiseausweis für Flüchtlinge. Dieser Ausweis enthält keinen Vermerk nach S. 4 Abs. 6 Satz 2 AufenthV, wonach die Personendaten auf den eigenen Angaben der Antragstellerin beruhen. Afghanische Identitätsdokumente in Form eines Reisepasses oder eine Identitätskarte existieren nicht.
Die Kindesmutter hat am ... 2015 in der Islamischen Republik Iran nach religiösem Ritus die Ehe mit dem afghanischen Staatsangehörigen geboren am ... derzeit wohnhaft ebenfalls in Deutschland, geschlossen. Die Ehe wurde am ... 2021 in der Islamischen Republik Iran per Videotelefonie nach religiösem Ritus geschieden. Für den Ehemann liegt bei der Ausländerbehörde am Landratsamt W. ein iranischer Flüchtlingsausweis vor.
Der mit der Mutter zusammen lebende syrische Staatsangehörige geboren am ..., dem mit Bescheid vom ... die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen wurde, hat die Vaterschaft für das Kind (Urkunden-Registernummer ..., Stadtjugendamt W. i. d.OPf.) anerkannt; die Mutter hat der Anerkennung zugestimmt (Urkundenregisternummer ..., Stadtjugendamt W. i.d. OPf.). Die Eltern haben eine Erklärung zur gemeinsamen elterlichen Sorge abgegeben.
Die Mutter hat bereits am ... 2016 in M. ein erstes Kind geboren. Im Geburtenregister sind keine Angaben über die Ehe der Mutter enthalten.
Das Standesamt hat sich deshalb gemäß S. 49 Abs. 2 PStG an das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. gewandt und im Wege einer Zweifelsvorlage folgende Fragen gestellt:
1. Ist die von der Kindsmutter am ... 2015 religiös in der Islamischen Republik Iran geschlossene Ehe nach deutschem Recht als wirksam anzusehen, sodass der Ehemann geboren am ... als Vater des Kindes in das Geburtenregister einzutragen ist?
2. Ist die Identität der Kindsmutter und des Ehemannes auf Grundlage der Heiratsurkunde, die Identitätsangaben sowie Lichtbilder des Ehepaares enthalten, als geklärt anzusehen, sodass Zweifelsvermerke nach S. 35 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 PStV bei der Kindsmutter und dem Ehemann im Geburtenregister unterbleiben können?
Der Zweifelsvorlage sind Kopien des Reiseausweises der Mutter, eines Reiseausweises des (früheren) Ehemannes der Mutter, der einen Hinweis nach S. 4 Abs. 6 Satz 2 AufenthaltsV enthält, und Kopien einer bis zum 14.06.2014 gültige nationale ID-Karte der Islamischen Republik Iran des (früheren) Ehemannes sowie Kopien der Heiratsurkunde für eine dauerhafte Trauung (speziell für afghanische Einwanderer) samt Übersetzung vom 1393 (2015) beigefügt, zudem werden Unterlagen zur Scheidung vorgelegt.
Eine Anerkennung der Scheidung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts München liegt nicht vor. Auf entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichtes München wurde der Antrag auf Scheidungsanerkennung zurückgenommen.
Das Standesamt W. i.d.O.. hat bereits im ersten Rechtszug darauf hingewiesen, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt für afghanische Staatsangehörige keine Möglichkeit bestehe, einen afghanischen Reisepass bei den zuständigen konsularischen Vertretungen der Islamischen Republik Afghanistan im Bundesgebiet zu beschaffen. Die Kindesmutter habe jedoch zwischenzeitlich eine Identitätsbescheinigung des Generalkonsulats der Islamischen Republik Afghanistan M. vom 13.03.2022 vorgelegt. Zu diesem Dokument führt das Standesamt aus, das bayerische Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration habe im Rahmen der Dienstbesprechung zum Staatsangehörigkeitsrecht am 06.07.2022 darauf hingewiesen, dass die von den afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellten "Eigenerklärungen" mangels Zugriffs der Auslandsvertretungen ...