Leitsatz (amtlich)
Üben die Mutter und der rechtliche Vater eines die Vaterschaft anfechtenden Kindes die elterliche Sorge gemeinsam aus, kommt es für die Berechnung der Anfechtungsfrist gemäß § 1600 b BGB auf die Kenntnis eines für das Kind bestellten Ergänzungspflegers an, auch wenn die Mutter und der rechtliche Vater berufen sind, in Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge über das Ob der Vaterschaftsanfechtung zu entscheiden.
Normenkette
BGB § 1592 Abs. 1, § 11600
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 112 F 4178/16) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 4.5.2017 in Ziffer 1 und 2 abgeändert und neu gefasst wie folgt:
1. Es wird festgestellt, dass der Beteiligte T... J... J..., geboren am ..., nicht der Vater des Kindes S... H... T... J..., geboren am ..., ist.
2. Die Gerichtskosten und Auslagen erster Instanz tragen die Beteiligten T.. J... Johnson und Y... N... J... jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller, vertreten durch das Jugendamt der Stadt N..., begehrt die Feststellung, dass der Beteiligte T... J... J... nicht sein Vater sei.
Die von den Beteiligten Y... N... J..., deutsche Staatsangehörige, und T... J... J..., US-amerikanischer Staatsangehöriger, am 21.11.2008 geschlossene Ehe ist mit Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 3.12.2015, Az. 112 F ..., rechtskräftig seit dem 3.2.2016, geschieden worden.
Bereits bei ihrer Anhörung im Scheidungsverfahren am 16.7.2015 trugen die Beteiligten vor, das am ... geboren Kind S... H... T... J... sei kein gemeinsames Kind.
Mit Beschluss vom 10.10.2016 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg Ergänzungspflegschaft für das Kind S... H... T... J... mit dem Wirkungskreis der Vertretung im beabsichtigten Verfahren wegen Anfechtung der Vaterschaft angeordnet und die Stadt N... zum Ergänzungspfleger bestellt. In der Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, das Kind könne im Verfahren wegen Anfechtung der Vaterschaft wegen eines bestehenden Interessenkonfliktes nicht von seinen Eltern vertreten werden.
Das Kind S... H... T... J... hat mit Schriftsatz des Stadtjugendamtes N... vom 2.12.2016 bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg die Feststellung beantragt, dass der Beteiligte T... J... J... nicht sein Vater sei. In der gesetzlichen Empfängniszeit vom 6.7.2013 bis 26.11.2013 habe seine Mutter mit dem Beteiligten T... J... J... keinen Geschlechtsverkehr gehabt.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg hat dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gewährt, mit Beschluss vom 9.1.2017 die Erholung eines DNA-Gutachtens zur Abstammungsfrage angeordnet und die Sachverständige Dr. S... R...mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.
Mit Gutachten vom 20.2.2017 (Bl. 21 ff. d. A.), auf welches wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, stellt die Sachverständige fest, dass der Beteiligte T... J... J... als Vater des antragstellenden Kindes mit 100 %-iger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist.
Erstmals mit Verfügung vom 23.2.2017 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg darauf hingewiesen, dass Zweifel daran bestünden, ob die Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB eingehalten sei.
Der Ergänzungspfleger des Antragstellers hat daraufhin geltend gemacht, die Beteiligten T...J... J... und Y... N... J... seien nicht in der Lage gewesen, das Anfechtungsverfahren durchzuführen, weil ihnen die gemeinsame Sorge für das Kind zustehe. Es seien daher beide von der Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen.
In dem vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg durchgeführten Anhörungstermin vom 4.5.2017 schlossen sich die Mutter und der Beteiligte T... J... J... dem Anfechtungsantrag des Kindes an.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg hat mit Endbeschluss vom 4.5.2017 den Anfechtungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anfechtungsfrist sei nicht gewahrt. Beide Eltern hätten die Anfechtungsfrist verstreichen lassen. Durch die Bestellung eines Ergänzungspflegers lebe die Frist nicht wieder auf.
Gegen diese Entscheidung, welche ihm über das Jugendamt N... am 11.5.2017 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6.6.2017, eingegangen bei dem Amtsgericht Nürnberg spätestens am 8.6.2017, Beschwerde eingelegt, mit welcher er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, für die Bestimmung des Beginns der Anfechtungsfrist sei nicht darauf abzustellen, wann seine Mutter und der Beteiligte T... J... J... Kenntnis von den Umständen, welche Zweifel an der Vaterschaft des Beteiligten T... J... J... begründen, erlangten...