Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung einer „Morgengabe”. Prozeßkostenhilfe
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 06.09.2000; Aktenzeichen 108 F 1854/00) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg (108 F 1854/00) vom 06.09.2000 abgeändert.
II. Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe (ohne Raten) bewilligt (§ 114 ZPO) und Rechtsanwalt … in … zu den Bedingungen eines bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Gründe
I.
Die zulässige Beschwerde (§ 121 Abs. 2 S. 2 ZPO) der Antragstellerin ist begründet. Ihre Klage bietet die nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der bei der religiösen Trauung als „Mehir” vereinbarten Morgengabe wird im erstgerichtlichen Hauptsacheverfahren nach dem Ehewirkungsstatut des Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB und demzufolge nach dem türkischen materiellen Recht zu beurteilen sein, weil beide Ehegatten türkische Staatsangehörige sind, die schriftlich vereinbarte Morgengabe noch nicht geleistet wurde und die Ehe der Parteien noch fortbesteht.
Die Morgengabe („Mehir”) ist ein eigenständiges Rechtsinstitut (vgl. BGH FamRZ 1987, 463; Bilge Öztan, FamRZ 1998, 624). Sie kann auch schon bei der Eheschließung zu zahlen sein (Staudinger/von Bar, BGB, 13. Auflage 1996, EGBGB Art. 18 Rn. 282). Der Anspruch auf eine noch nicht geleistete Morgengabe beurteilt sich während des Bestehens der Ehe nach dem Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB (Palandt/Heldrich, BGB, 60. Auflage, EGBGB Art. 14 Rn. 18, und Heldrich, IPRax 1983, 64, 65).
Danach ist die Vereinbarung über die Morgengabe (Mehir) nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem beide Ehegatten angehören, hier also nach dem türkischen Recht.
Für eine Anwendung deutschen materiellen Rechts wie in den Fällen des BGH FamRZ 1999, 217 und 1987, 463 ist im vorliegenden Fall kein Raum, weil (anders als in den BGH-Fällen) keiner der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, weil die Morgengabe nicht auf eine Bedürftigkeit abstellt (Staudinger/von Bar, a.a.O.) und sie deshalb kein „reiner” Unterhalt i.S. des Art. 18 Abs. 1 EGBGB ist, und weil sie hier bereits während des Bestehens der Ehe und nicht – wie in den zitierten BGH-Fällen – erst nach der Scheidung geltend gemacht wird (vgl. zum Zeitpunkt der Geltendmachung als mögliches Kriterium für die Qualifizierung BGH FamRZ 1987, 463).
Nach dem türkischen materiellen Recht (Art. 169 türk. ZGB) sind die Ehegatten befugt, Rechtsgeschäfte miteinander einzugehen. Sie können eine Morgengabe (Mehir) rechtswirksam vereinbaren (vgl. Öztan, FamRZ 1998, 625, unter Berufung auf den türk. Kassationshof). Beide Ehegatten wissen in der Regel, daß es nach türkischem Eheschließungsrecht der Vereinbarung eines „Mehir” nicht (mehr) bedarf. Wenn sie eine Morgengabe gleichwohl vereinbaren, ist dies i.d.R. als ein Schenkungsversprechen auszulegen, das der andere Ehegatte annimmt. Nach türkischem Recht genügt hierfür eine schriftliche Vereinbarung ohne notarielle Beurkundung (vgl. Öztan, FamRZ 1998, 625). Auf die vom BGH (FamRZ 1987, 463, 465) erörterte Problematik der Formbedürftigkeit eines Ehevertrages nach deutschem Recht (§ 1410 BGB) bzw. eines Schenkungsversprechens nach § 518 BGB braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Wirksamkeit der vorliegenden Vereinbarung über eine Morgengabe (Mehir) nach türkischem Recht zu beurteilen ist (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB).
II.
Die Beiordnung des Rechtsanwalts beruht auf § 121 Abs. 2 ZPO. Dieser hat sich bereit erklärt, zu den Bedingungen eines beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalts tätig zu werden (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 121 Rn. 13).
III.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Unterschriften
Bischoff Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht, Dr. Kauppert Richter am Oberlandesgericht, Sowade Richter am Oberlandesgericht
Fundstellen
Haufe-Index 1514409 |
FamRZ 2001, 1613 |