Leitsatz (amtlich)
1. § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO erlaubt zumindest dann die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahren mit dem Ziel, einen ärztlichen Behandlungsfehler festzustellen, wenn es um die Frage geht, ob die eingesetzte Hüftgelenksprothese hinreichend an die körperlichen Besonderheiten der Patientin angepasst war.
2. § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO lässt in einem solchen Fall auch eine Beweisaufnahme darüber zu, welche Maßnahmen ggf. geeignet und erforderlich sind, um die Folge des so festgestellten Fehlers, ein häufiges Herausspringen des Hüftgelenks zu beheben.
Normenkette
ZPO § 485
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 06.02.2008; Aktenzeichen 4 OH 11401/07) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 6.2.2008 geändert.
II. Es ist Beweis zu erheben über folgende Behauptungen der Antragstellerin:
1. Der Antragsgegner habe im Zuge der Einsetzung eines künstlichen Hüftgelenks bei der Antragstellerin dadurch gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen, dass er die Hüftgelenksprothese angesichts der offenbar vorhandenen körperbaulichen Besonderheiten der Patientin nicht durch geeignete Maßnahmen, sei es eine Verschalung oder die Anbringung eines längeren Stiftes vor der dann mehrfach aufgetretenen Luxation geschützt hat.
2. Die Antragstellerin habe diese Luxationen nicht selbst verursacht.
3. Für den Fall der Bejahung der unter 1) genannten Behauptung möge der Sachverständige dazu Stellung nehmen, welche Maßnahmen notwendig und geeignet sind, um ein künftiges Herausspringen des Hüftgelenks nach menschlichem Ermessen zu vermeiden.
III. Mit der Erstellung des Gutachtens wird Prof. Dr. med. R. beauftragt.
Die Versendung der Akten an den Sachverständigen ist davon abhängig, dass die Antragstellerin bis spätestens 19.6.2008 einen Kostenvorschuss i.H.v. 1.500 EUR einzahlt.
IV. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
VI. Für das Beschwerdeverfahren wird keine Gebühr erhoben.
VII. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ließ sich am 4.12.2006 vom Beklagten wegen einer Coxarthrose links eine künstliche Hüfte einsetzen. In der Folgezeit kam es zwischen dem 15.12.2006 und dem 3.1.2007 insgesamt fünfmal zu einer Luxation der Hüfte, die die Antragstellerin auf fehlerhaftes Handeln des Antragsgegners zurückführt.
Mit Schriftsatz vom 21.12.2007 leitete sie mit folgendem Antrag ein selbständiges Beweisverfahren ein:
"I. Es wird Beweis erhoben über die Behauptung der Antragstellerin, dass der Antragsgegner im Zuge des Einsatzes eines künstlichen Hüftgelenks am 4.12.2006 und anlässlich der diversen nachfolgenden Reluxationsversuche, teilweise ohne Betäubung, und im Zuge diverser Nachbesserungen gegen die anerkannten Regeln der Arztkunst verstoßen hat, durch Einholung eines in das Ermessen des Gerichtes gestellten Sachverständigengutachtens.
II. Für den Fall der Bejahung des Verstoßes möge sich der Sachverständige dazu äußern, welche Maßnahmen notwendig und geeignet sind, um ein zukünftiges Herausspringen des Hüftgelenks nach menschlichem Ermessen zu vermeiden."
Der Antragsgegner hält den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens für unzulässig. Er bestreitet den ihm vorgeworfenen Behandlungsfehler und äußert den Verdacht auf Selbstverletzung.
Dies nahm die Antragstellerin auf und erweiterte ihren Antrag dahin, dass auch festgestellt werden solle, dass die Luxationen nicht in Selbstverletzungsabsicht von der Antragstellerin selbst verursacht worden seien.
Mit Beschluss vom 6.2.2008, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wies das LG den Antrag mit der Begründung zurück, die Antragstellerin stelle weder ein konkretes Verhalten unter Beweis noch behaupte sie konkrete Fehler. Ihr Antrag ziele auf Ausforschung.
Gegen diesen ihr am 13.2.2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 27.2.2008 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie hält ihren Sachvortrag für ausreichend konkret. Ihr fehle die Sachkenntnis, um die Ursache des Mangels, der in der immer wieder herausspringenden Hüfte bestehe, naher beschreiben zu können. Möglicherweise passe die vom Antragsgegner gewählte Prothesenkonstruktion nicht optimal zu ihren anatomischen Verhältnissen. Sie stellt unter Anfechterhaltung der übrigen Anträge nunmehr folgenden Antrag.
"Es wird Beweis erhoben über die Behauptung der Antragstellerin, dass der Antragsgegner im Zuge des Einsatzes eines künstlichen Hüftgelenks, erstmals am 4.12.2006 und dann bei den nachfolgenden Reluxationen die anerkannten Regeln der Arztkunst außer Acht gelassen hat, als er das Hüftgelenk angesichts der offenbar vorhandenen körperbaulichen Besonderheiten der Patientin nicht durch geeignete Maßnahmen, sei es einer Verschalung oder die Anbringung eines längeren Stiftes vor der dann mehrfach eingetretenen Luxation geschützt hat. Es wird ferner Beweis erhoben, zum Nachweis dafür, dass die Luxationen von de...