Normenkette
BGB § 641 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 13.03.2003; Aktenzeichen 3 HKO 6862/02) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 13.3.2003 und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgehoben.
II. Die Sache wird an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 6.761,32 Euro.
Gründe
Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des diesem zugrunde liegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das erstinstanzliche Verfahren leidet deshalb an einem wesentlichen Mangel i.S.d. Bestimmung, weil das LG einen Hinweis darauf unterließ, dass die Anwendung des § 641 Abs. 2 S. 1 BGB mit der Folge des Ausschlusses eines Zurückbehaltungsrechts in Betracht komme. Das Erstgericht hat damit gegen § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO verstoßen, weil es seine Entscheidung ausschließlich auf die von ihm für richtig gehaltene Auslegung des § 641 Abs. 2 S. 1 BGB stützte.
Der Senat teilt die Rechtsansicht des LG nicht. § 641 Abs. 2 BGB stellt den Vergütungsanspruch des Unternehmers spätestens dann fällig – falls er nicht nach dem Vertrag bereits zuvor fällig ist –, wenn der Besteller seinerseits von seinem Besteller (= Dritter) für die vom Unternehmer erbrachte Leistung ganz oder teilweise die Vergütung erhalten hat (sog. Durchgriffsfälligkeit). Diese Regelung dient dem Interesse von durch Generalunternehmer beauftragten Subunternehmern sowie von durch Bauträger beauftragten Unternehmern, Vergütung für ihre Leistung spätestens dann zu erhalten, wenn und soweit ihr Vertragspartner diese von seinem Besteller erhalten hat. Damit soll verhindert werden, dass der Besteller die für eine Leistung des Unternehmers erhaltene Vergütung nicht an den Unternehmer weiterleitet mit der Begründung, dessen Leistung sei mangelhaft (Kiesel, NJW 2000, 1673 [1678]).
Maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers. Es ist mithin vom objektiven Sinngehalt der Norm auszugehen (OLG Koblenz v. 20.2.2003 – 10 U 883/02, NJW 2003, 2100 [2101]). Insoweit kommt es auf den Wortsinn, den Bedeutungszusammenhang, die Entstehungsgeschichte und den Zweck des Gesetzes an. Ausgangspunkt der Auslegung ist die Wortbedeutung. Entscheidend für das Auslegungsergebnis ist grundsätzlich die teleologische Auslegung, die sich am Gesetzeszweck orientiert. Auf den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers kommt es regelmäßig nicht an, zumal sich dieser oft auch gar nicht feststellen lässt oder durch die Änderung der Lebensverhältnisse bald überholt ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Einleitung Rz. 34, 35, 38).
§ 641 Abs. 2 BGB regelt nach dem unzweideutigen Text nur die Fälligkeit des Werklohnanspruches. Zur Möglichkeit eines Zurückbehaltungsrechts schweigt die Bestimmung sich aus. Die Vorschrift schließt folglich ein Zurückbehaltungsrecht nicht aus (Stapenhorst, DB 2000, 909 [910], Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 1338; a.A.: Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 641 Rz. 8; Kniffka, ZfBR 2000, 227 [232]).
Mit der Verwendung des Wortes „spätestens” kommt im Gegenteil zum Ausdruck, dass die Fälligkeit aufgrund der Zahlung seitens des Dritten keinen weiter reichenden Inhalt und deshalb auch keine weiter reichenden Folgen haben soll, als eine durch eine (förmliche) Abnahme ausgelöste Fälligkeit. Hat der Auftraggeber das Werk abgenommen, kann er ein Nachbesserungsrecht dem nunmehr fälligen Werklohnanspruch einredeweise entgegensetzen, was auch § 641 Abs. 3 BGB vorsieht. Es wäre ein unhaltbares Ergebnis, würde der Auftraggeber dieses Leistungsverweigerungsrecht allein deswegen verlieren, weil der Dritte – aus welchen Gründen auch immer – an ihn zahlt, beispielsweise weil dieser die Mängel noch nicht kennt. Die gegenteilige Rechtsansicht hätte zur Folge, dass der Unternehmer, um sich sein Leistungsverweigerungsrecht ggü. dem Subunternehmer zu erhalten, den Dritten von einer Zahlung an sich abhalten müsste, indem er ihn von den Mängeln in Kenntnis setzt.
Mindert der Bauherr nach der Zahlung den Werklohn wegen eines Mangels, muss der Generalunternehmer möglicherweise den ganzen Werklohn zurückzahlen; er trägt damit das Insolvenzrisiko des Subunternehmers. Sind die Verjährungsfristen verschieden lang, ist nämlich die Dauer der Gewährleistungshaftung des Subunternehmers kürzer als diejenige des Hauptunternehmers, so wäre der Minderungsanspruch des Generalunternehmers ggü. dem Subunternehmer nicht selten bereits zu dem Zeitpunkt verjährt, zu dem der Dritte den Generalunternehmer in unverjährter Zeit in Anspruch nimmt. Nach den §§ 478, 639 BGB a.F. steht beispielsweise dem Generalunternehmer ggü. dem Subunternehmer ein Zurückbehaltungsrecht trotz Verjährung der Gewährleistungsrechte dann zu, wenn er vor Verjährungseintritt den Mangel angezeigt h...