Leitsatz (amtlich)
1. Sind die mit Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags entstandenen Ansprüche des Verbrauchers infolge einer Aufrechnung gegen Ansprüche des Unternehmers aus dem Rückgewährschuldverhältnis (§§ 346 ff. BGB) nach § 389 BGB erloschen, steht der auf die Feststellung, dass der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt worden ist, gerichteten Klage der Vorrang einer möglichen und zumutbaren Leistungsklage nicht (mehr) entgegen.
2. Den nach § 346 II 2 Hs. 2 BGB möglichen Nachweis eines niedrigeren Gebrauchsvorteils, kann der Verbraucher in der Regel nicht alleine damit führen, dass er sich auf einen in der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Zinssatz für das Neugeschäft der deutschen Banken/Kredite an private Haushalte bezieht, der den Vertragszins um nicht mehr als einen Prozentpunkt unterschreitet. Der statistisch ausgewiesene Zins stellt nur dann ein ausreichendes Indiz für die fehlende Marktüblichkeit des höheren Vertragszinses dar, wenn er von diesem in krasser Weise abweicht, was regelmäßig erst ab einer Abweichung von mehr als einem Prozentpunkt in Betracht kommt.
3. Auch vor Schaffung des § 357.a III 1 BGB hat die gesetzliche Ausgestaltung des Rückgewährschuldverhältnisses nach §§ 346 ff. BGB für die Herausgabe von gezogenen Nutzungen durch den Verbraucher keine Begrenzung auf die Zeit bis zur Widerrufserklärung enthalten.
4. Aufgrund der in § 389 BGB angeordneten Rückwirkung können aufgerechnete Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis (§§ 346 ff. BGB) nicht Grundlage für - insbesondere auf weiteren Nutzungsersatz gerichtete - Folgeansprüche sein, die ihren Rechtsgrund gerade in der Nichterfüllung des Anspruchs bis zur Abgabe der Aufrechnungserklärung finden.
5. Macht nach Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags eine Bank ihren gegen den Darlehensnehmer gerichteten Anspruch auf Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta gerichtlich geltend, steht einer Verzinsung der eingeklagten Geldschuld nach § 291 S. 1 BGB das Zinseszinsverbot (§ 289 S. 1 BGB) entgegen.
Normenkette
BGB § 289 S. 1, § 346 Abs. 2, § 389; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 14.12.2015) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 14.12.2015 abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene und unter der Konto-Nr... geführte Darlehensvertrag vom 29./31.05.2007 über einen Darlehensbetrag von 69.000 EUR durch den mit Schreiben vom 24.04.2015 erklärten Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist.
3. Auf die Widerklage hin werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte 53.395,80 EUR nebst Zinsen aus 20.597,64 EUR in Höhe von 5,85 % seit 28.04.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Kläger als Gesamtschuldner 62 % und die Beklagte 38 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 36.022,48 EUR und für das Berufungsverfahren auf 64.024,99 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und die Rechtsfolgen des Widerrufs der auf den Abschluss eines Immobiliardarlehensvertrags gerichteten Vertragserklärung der Kläger.
Die klagenden Eheleute und die beklagte Direktbank schlossen zur Finanzierung einer fremdgenutzten Immobilie unter dem 29./31.05.2007 einen unter der Konto-Nr... geführten Darlehensvertrag (Anlage K 1) über einen Darlehensnominalbetrag von 69.000,00 EUR. Der Nominalzins von 5,85 % war bis zum 31.05.2017 fest vereinbart.
Der Darlehensvertrag enthält auf Seite 4 eine "Widerrufsbelehrung", die zur Widerrufsfrist folgende Angaben enthält:
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."
Wegen der weiteren Inhalte und der Gestaltung der Widerrufsbelehrung wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Die Darlehensvaluta wurde in der Folgezeit ausgezahlt. Die Kläger erbrachten anschließend bis einschließlich Juni 2015 Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 38.206,36 EUR.
Mit Schreiben vom 24.04.2015 (Anlage K 4) erklärten die Kläger den Widerruf des Darlehensvertrags und mit Schreiben vom 28.05.2015 (Anlage K 5) kündigten die Kläger an, die monatlichen Kreditraten zunächst unter Vorbehalt der weiteren Prüfung der Wirksamkeit des Widerrufs weiter zu bezahlen.
Die Kläger haben behauptet, der marktübliche Zinssatz für ein Darlehen...