Verfahrensgang

LG Aurich (Aktenzeichen 5 O 641/20)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 12.12.2020 wird das Zwischenurteil des Landgerichts Aurich vom 08.12.2020 (5 O 641/20) geändert und der Beitritt des Nebenintervenienten vom 20.08.2020 auf Seiten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Nebenintervenient.

3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 19.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde nach § 71 Abs. 2 ZPO gegen das Zwischenurteil des Landgerichts Aurich vom 08.12.2020 ist auch in der Sache erfolgreich.

1. Dem Streitverkündeten steht es grundsätzlich frei, dem Rechtsstreit auf Seiten des Prozessgegners des Streitverkünders und nicht diesem selbst beizutreten (Althammer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 74 Rn. 1 m.w.N.). Bei einem Beitritt des Streitverkündeten auf Seiten des Prozessgegners des Streitverkünders tritt die Interventionswirkung (§ 68 ZPO) in gleicher Weise ein wie bei unterlassenem Beitritt (statt vieler BGH, Urteil vom 18.03.2004, IX ZR 255/00, zit. nach juris, dort Rn. 17 m.w.N.).

Dabei ist in subjektiver Hinsicht zu beachten, dass diese Wirkung nach der zutreffenden herrschenden Ansicht (exemplarisch dazu BGH, Urteil vom 04.04.2019, III ZR 338/17, BeckRS 2019, 6468 Rn. 28) nur zugunsten der Hauptpartei des Folgeprozesses, d.h. der im Erstprozess durch den Beitritt unterstützten Partei, besteht. In objektiver Hinsicht ist unter anderem zu berücksichtigen, dass der Nebenintervenient im Folgeprozess neue Punkte geltend machen kann, mit denen er sich im Vorprozess in Widerspruch zum Vorbringen der Hauptpartei begeben hätte (vgl. § 67 ZPO); er kann sich deshalb darauf berufen, dass er durch die sachliche oder zeitliche Begrenzung seiner Tätigkeit im Vorprozess daran gehindert war, bestimmte Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen, Beweise anzutreten, Rechtsbehelfe zu ergreifen oder weiterzuverfolgen (Bendtsen, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 68 Rn. 12).

Dies alles setzt freilich voraus, dass eine - wie hier nicht - prozessual wirksame Nebenintervention vorliegt.

2. Der Nebenintervention liegt hier kein rechtliches Interesse i.S.d. § 66 Abs. 1 ZPO zugrunde.

a) Nach § 66 ZPO kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Erforderlich ist danach zum einen das Vorhandensein eines rechtlichen Interesses des Beitrittswilligen und zum anderen, dass sich dieses rechtliche Interesse gerade auf ein "Obsiegen" der Partei bezieht, der er beitreten möchte (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 05.01.2015, 10 W 977/14, BeckRS 2015, 15683 Rn. 9).

aa) Der Begriff des rechtlichen Interesses ist weit auszulegen. Aus dem Erfordernis eines 'rechtlichen' Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit einer Nebenintervention nicht ausreicht. Der bloße Wunsch des Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, und die Erwartung, dass die damit befassten Gerichte auch in einem künftigen eigenen Rechtsstreit mit einer Partei an einem einmal eingenommenen Standpunkt festhalten und zu einer ihm günstigen Entscheidung gelangen sollten, stellen lediglich Umstände dar, die ein tatsächliches Interesse am Obsiegen einer Partei zu erklären vermögen. Ein solches Interesse daran, dass eine rechtliche oder tatsächliche Frage auf eine bestimmte Weise beantwortet wird, genügt ebenso wenig wie der denkbare Umstand, dass in beiden Fällen dieselben Ermittlungen angestellt werden müssen oder über gleichgelagerte Rechtsfragen zu entscheiden ist. Vielmehr ist ein rechtliches Interesse anzunehmen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar auf die privat- oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse des Dritten rechtlich - nicht unbedingt vermögensrechtlich - einwirken kann (vgl. zum Ganzen exemplarisch BGH, Beschluss vom 10.02.2011, I ZB 63/09, zit. nach juris, dort Rn. 10; BGH NJW 1997, 2385, 2386).

bb) Ein rechtliches Interesse am Obsiegen gerade der unterstützten Partei ist gegeben, wenn sich die Rechtsstellung des Nebenintervenienten irgendwie durch ein der unterstützten Partei ungünstiges Urteil rechtlich verschlechtert oder sich durch ein günstiges Urteil rechtlich verbessert (OLG München, Beschluss vom 27.01.2011, 13 W 2806/10, zit. nach juris, dort Rn. 7 mit Verweis auf Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, § 66 Rn. 5; s. auch MüKoZPO/Schultes, 6. Aufl. 2020, § 66 Rn. 9 m.w.N.).

cc) Ein solches rechtliche Interesse am Obsiegen des Klägers als der unterstützten Partei ist vom Nebenintervenienten nicht dargetan worden und auch sonst nicht ersichtlich.

In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der im Vorprozess vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen zur Akte gereichten Terminsvollmacht vom 04.11.2019 (BA II / 231) der hiesi...

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