Leitsatz (amtlich)
Über ein Ablehnungsgesuch gegen einen originären Einzelrichter hat nicht dessen geschäftsplanmäßiger Vertreter, sondern die Zivilkammer in voller Besetzung ohne den abgelehnten Richter zu entscheiden (gegen OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 931).
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Beschluss vom 03.06.2005; Aktenzeichen 9 O 141/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 1.7.2005 gegen den Beschluss des LG Osnabrück vom 3.6.2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 145.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthafte, fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Denn die Kammer des LG hat das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am LG H. in nicht zu beanstandender Weise und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.
1. Der Senat ist in voller Besetzung zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen (§ 568 Abs. 1 ZPO), nachdem die angegriffene Entscheidung des LG nunmehr von der Kammer und nicht dem Einzelrichter des LG getroffen wurde.
a) Das LG hat - entsprechend dem Einzelrichterbeschluss des Senats vom 18.1.2005 - die Entscheidung über den Befangenheitsantrag des Klägers nach Einholung der - ausreichenden - dienstlichen Äußerung des vom Kläger als befangen angesehenen Richters richtigerweise in voller Kammerbesetzung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen. Soweit der Kläger nunmehr rügt, dieser Beschluss hätte vom vertretenden Einzelrichter gefasst werden müssen, ist die Rüge nicht begründet. Zur Begründung verweist der Kläger dazu auf den Einzelrichterbeschluss des OLG Oldenburg vom 23.5.2005 (OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.5.2005 - 15 W 21/05), der offenkundig eine Mindermeinung vertritt, welcher sich der Senat nicht anzuschließen vermag. Der Senat orientiert sich vielmehr weiterhin unverändert an der weitaus überwiegenden h.M. in dieser Frage, wonach über das Ablehnungsgesuch gegen einen als Einzelrichter tätigen Richter am LG nicht ein anderer Einzelrichter, sondern die volle Kammer ohne Mitwirkung des Abgelehnten zu entscheiden hat (Zöller/Vollkommer, ZPO-Komm., 25. Aufl., § 45 Rz. 2, m.w.N.; Stein/Jonas/Bork, ZPO-Komm., 22. Aufl., § 45 Rz. 1, m.w.N.; Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 45 Rz. 6; Wieczorek/Schütze/Niemann, ZPO-Komm., 3. Aufl., § 45 Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO-Komm., 63. Aufl., § 45 Rz. 4; Musielak/Heinrich, ZPO-Komm., 4. Aufl., § 45 Rz. 2; Thomas/Putzo, ZPO-Komm., 25. Aufl., § 45 Rz. 1; Zimmermann, ZPO-Komm., 6. Aufl., § 45 Rz. 1; Bergerfurth, Der Zivilprozess, 6. Aufl., S. 136 Rz. 257; OLG Frankfurt v. 26.4.2004 - 1 W 26/04, OLGReport Frankfurt 2004, 271).
Zudem trifft die Argumentation im vom Kläger bemühten abweichenden Beschluss 15 W 21/05, die Intension des Gesetzgebers gehe dahin, die Einzelrichterzuständigkeiten immer mehr auszuweiten, in der hier zu entscheidenden Frage jedenfalls nicht zu, weil ausweislich der Materialien zur ZPO-Reform ab 1.1.2002 zwar auch § 45 ZPO teilweise neu gestaltet wurde. Jedoch wurde der hier maßgebende frühere Abs. 1 Halbs. 1 von § 45 als neuer Abs. 1 des § 45 übernommen, und die Begründung im Regierungsentwurf dazu lautet: "Abs. 1 entspricht dem bisherigen Abs. 1 Halbs. 1. Die Ergänzung, dass das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung entscheidet, ist - entsprechend der bisherigen Rechtsprechung klarstellend und führt zu einem Gleichklang mit § 27 Abs. 1 StPO." (Hannich/Meyer/Seitz/Engers, ZPO-Reform, Einführung - Texte - Materialien, § 45 S. 152). Damit ist gerade keine Ausweitung der Einzelrichtertätigkeit im Rahmen des § 45 ZPO beabsichtigt, sondern eine Fortschreibung der bisherigen Rechtsauffassung gewollt gewesen.
b) Soweit das LG im angefochtenen Beschluss in der Sache entschieden hat, treffen die Ausführungen zu. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Auch der Senat hält Gründe, die eine Befangenheit des abgelehnten Richters ergeben könnten, für weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, weil nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung der Befangenheit wecken können, in Betracht kommen (Zöller/Vollkommer, ZPO-Komm., 25. Aufl., § 42 Rz. 9), die hier nicht erkennbar sind.
2. Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren folgt dem Wert der Hauptsache (vgl. zum diesbezüglichen Streitstand auch Zöller/Herget, ZPO-Komm., 25. Aufl., § 3 Rz. 16, "Ablehnung eines Richters"; vgl. im Übrigen OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.1.2005).
Fundstellen
NJW-RR 2005, 1660 |
JurBüro 2006, 51 |
MDR 2006, 169 |
OLGR-Nord 2006, 269 |
www.judicialis.de 2005 |