Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Landes bei einer Amtspflichtverletzung des Versteigerungsgerichts im Zwangsversteigerungsverfahren (Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses wegen eines Zustellungsfehlers und Erzielung eines geringeren Erlöses; objektiv unvertretbares Verhalten des zuständigen Rechtspflegers im Zwangsversteigerungsverfahren.
Vorausgegangen war die Entscheidung des Senats vom 6.6.2008, die vom BGH aufgehoben und an den Senat zurückverwiesen wurde (BGH III ZR 172/08, die veröffentlicht sein soll).
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 19.12.2007; Aktenzeichen 5 O 986/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Oldenburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 203.662,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.1.2007 sowie weitere 1.368,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.2.2007 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits (unter Einschluss der Kosten des Revisionsverfahrens) werden dem Kläger zu 4/23 und dem beklagten Land zu 19/23 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstrek- kung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils jeweils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Leistung von Schadensersatz wegen einer Verletzung der Amtspflicht, die der Kläger dem handelnden Rechtspfleger im Zusammenhang mit der Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens vorwirft.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf das Senatsurteil vom 6.6.2008 sowie ergänzend auf das am 22.1.2009 verkündete Urteil des BGH vom 22.1.2009 verwiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Oldenburg hatte der Senat (zunächst) mit dem am 6.6.2008 verkündeten Urteil kostenpflichtig zurückgewiesen. Nach Zulassung der Revision hat der BGH die Senatsentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Parteien streiten nach der Revisionsentscheidung des BGH im Wesentlichen noch darüber, ob das Verhalten des Rechtspflegers im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens objektiv unvertretbar war und ob dem Kläger ein Schaden - ggf. in welcher Höhe - entstanden ist.
Der Kläger ist - in teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens sowie unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Senatsurteil (S. 11 f.) - der Ansicht, das konkrete Handeln des Rechtspflegers sei objektiv nicht mehr vertretbar. Der Rechtspfleger habe erkennen müssen, dass die nicht ordnungsgemäße Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses dessen Rechtskraft und damit einer wirksamen Zuschlagserteilung entgegen gestanden habe. Die Einwendungen des Schuldners gegen den Beschluss hätten spätestens Anlass zu einer Überprüfung der Rechtslage geben müssen. Der Rechtspfleger habe die Problematik der Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses vor dem Zuschlag nicht erkannt, obwohl er von der Freigabe der Grundstücke Kenntnis gehabt habe. Nach der Freigabe der Grundstücke durch den Konkursverwalter habe der Rechtspfleger erkennen müssen, dass der Schuldner fortan wieder Beteiligter des Verfahrens gewesen sei. Deshalb sei der Fehler vermeidbar und ein sich ergebender Schaden vorhersehbar gewesen.
Die Verletzung der dem Rechtspfleger obliegenden Amtspflicht sei auch kausal für den eingetretenen Schaden geworden, weil bei pflichtgemäßem Handeln der Zuschlagsbeschluss vom 31.3.2000 rechtskräftig geworden wäre.
Infolge des Verschuldens des Rechtspflegers sei ihm ein erheblicher Schaden entstanden, den er im Einzelnen beziffert hat. Weiterhin ist der Kläger der Ansicht, das Spruchrichterprivileg gem. § 839 Abs. 2 BGB gelte im Rahmen der Voll - streckung nicht. Auch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bestehe nicht.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit Zustimmung des beklagten Landes die Klage i.H.v. 39.458,28 EUR zurückgenommen und beantragt nunmehr, unter Abänderung des am 19.12.2007 verkündeten Urteils des LG Oldenburg (5 O 986/07) das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 206.236,95 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.1.2007 sowie weitere 1.368,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.2.2007 zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land behauptet unter Hinweis auf das erstinstanzliche Vorbringen, der zuständige Rechtspfleger habe von der angeblichen Freigabe des Grundeigentums durch den Insolvenzverwalter keine Kenntnis gehabt. Dieser habe deshalb überhaupt nicht gewusst, dass der Wertfestsetzungsbeschluss an den Schuldner persönlich...