Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeichnungspflicht der Mitglieder einer Molkereigenossenschaft; Pflichtverletzung von Vorstand und Aufsichtsrat bei Nichtdurchsetzung; Schadensersatzanspruch der Genossenschaft bei Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Besteht bei einer Molkereigenossenschaft die satzungsmäßige Verpflichtung der Mitglieder, entsprechend der Menge der angelieferten Milch weitere Geschäftsanteile zu zeichnen, stellt es eine Pflichtverletzung von Vorstand und Aufsichtsrat dar, wenn nicht die Durchsetzung dieser satzungsmäßigen Regelung besorgt wird.

2. Werden wegen der Nichtzeichnung weiterer Geschäftsanteile von den Milchgeldzahlungen Einbehalte vorgenommen, die größer sind als die Einzahlungsverpflichtungen der säumigen Mitglieder, fehlt es an einem durch die Pflichtverletzung begangenen Schaden.

3. Nach Insolvenz der Genossenschaft tritt an die Stelle der Zeichnungspflicht für die Geschäftsanteile ein Schadensersatzanspruch der Genossenschaft, der vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann.

 

Normenkette

GenG §§ 34, 38; BGB §§ 280, 287

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 1 O 3428/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Berufungsbeklagten wird das Grundurteil der 1. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 31.10.2000 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, eine Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 160.000 DM abzuwenden, wenn die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Dem Kläger wird weiterhin nachgelassen, eine Zwangsvollstreckung des Streitgehilfen gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 60.000 DM abzuwenden, wenn der Streitgehilfe nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer für den Kläger übersteigt 60.000 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger, Konkursverwalter über das Vermögen der F-… eG (Gemeinschuldnerin), nimmt den Beklagten zu 1) als Vorstandsmitglied und den Beklagten zu 2) als Aufsichtsratsmitglied der Gemeinschuldnerin aus angeblichen Pflichtverletzungen ihres jeweiligen Amtes auf Schadensersatz in Anspruch.

Unternehmensgegenstand der Gemeinschuldnerin, die aus der rund 100 Jahre bestandenen M.-… eG hervorging, war nach § 2 ihrer Satzung vom 13.5.1997 die Milchverwertung auf eigene Rechnung und Gefahr sowie der Betrieb einer Molkerei. Nach § 12 der Satzung war jeder Genosse der Gemeinschuldnerin verpflichtet, Geschäftsanteile nach Maßgabe des § 37 der Satzung zu übernehmen. § 37 der Satzung enthält u.a. folgende Regelungen:

(1) Der Geschäftsanteil beträgt 1.500 DM.

(2) Auf den Geschäftsanteil sind mindestens 10 % = 150 DM je Anteil sofort einzuzahlen. Überweitere Einzahlungen entscheidet – vorbehaltlich des § 44 der Satzung – die Generalversammlung gemäß § 50 GenG. Die vorzeitige Volleinzahlung des Geschäftsanteils ist zulässig.

Jedes Mitglied ist verpflichtet, je angefangene 20.000 kg Milchanlieferung einen Geschäftsanteil zu erwerben.

(4) Die auf die Geschäftsanteile geleisteten Einzahlungen zuzüglich sonstiger Gutschriften und abzüglich zur Verlustdeckung abgeschriebener Beträge bilden das Geschäftsguthaben eines Mitgliedes.

(5) Das Geschäftsguthaben darf, solange das Mitglied nicht ausgeschieden ist, von der Genossenschaft nicht ausgezahlt, nicht aufgerechnet oder im geschäftlichen Betrieb der Genossenschaft als Sicherheit verwendet werden. Eine geschuldete Einzahlung darf nicht erlassen werden; gegen diese kann das Mitglied nicht aufrechnen.

(6) … Eine Aufrechnung des Geschäftsguthabens durch das Mitglied gegen seine Verbindlichkeiten gegenüber der Genossenschaft ist nicht gestattet ….”

Die Nachschusspflicht der Genossen ist nach § 41 der Satzung auf den ersten Geschäftsanteil und mithin 1.500 DM beschränkt. Nach § 44 der Satzung, der die Verteilung des Überschusses regelt, ist in Abs. 2 vorgesehen, dass – solange die betreffenden Geschäftsanteile des Genossen nicht voll eingezahlt sind – der Überschuß als genossenschaftliche Rückvergütung zu 50 % dem Geschäftsguthaben des jeweiligen Genossen gutgeschrieben werden soll, sofern die Generalversammlung nicht einen anderen Prozentsatz beschloss; Gleiches sollte für Milchgeldzahlungen im Laufe des Geschäftsjahres gelten.

Die gleichen Regelungen, wie sie oben wiedergegeben worden sind, enthielt bereits die Vorgängersatzung der M.-… eG vom 3.1.1991. Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzungen wird auf die Anlagen K 2 und K 6 Bezug genommen.

Entgegen §§ 12, 37 der Satzung unterließ es eine Vielzahl von Genossen, Zahlungen auf von ihnen erworbene und gezeichnete Geschäftsanteile zu leisten sowie weitere, neue Geschäftsanteile zu erwerben, was dem Vorstand und dem Aufsichtsrat bekannt war. Mit Schreiben vom 9.7.1996 und 25.10.1996 wurden die Genossen seitens des Vorstandes zur nach der Satzung geschuldeten Zeichnung weiterer Geschäftsanteile aufgefordert, was nur teilweise Erfolg hatte.

Die Gemeinschuldnerin hielt von dem an die Genossen für Milchlief...

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