Leitsatz (amtlich)

1. Die §§ 1, 5 i.V.m. der Anlage 4 zu § 5 der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) sind so zu verstehen, dass bei der Werbung für den Kauf von Neuwagen Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2 Emissionen immer dann gemacht werden müssen, wenn ein bestimmtes Fahrzeugmodell und nicht lediglich eine Fabrikmarke oder ein Fahrzeugtyp beworben wird.

2. Die Auslegung der Begriffe "Fabrikmarke", "Modell" und Typ" hat sich primär an der Legaldefinition des § 2 Nr. 14-16 Pkw-EnVKV zu orientieren.

3. Die Kennzeichnungspflicht aus § 1 Pkw-EnVKV dient dem Umweltschutz i.S.d. Art. 20a GG und stellt eine zulässige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit i.S.d. Art. 12 Abs. 1 GG dar.

4. Ein Verstoß gegen die Regeln des Pkw-En VKV stellt einen Gesetzesverstoß i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 31.03.2006; Aktenzeichen 13 O 575/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 13. Zivilkammer - 1. Kammer für Handelssachen - des LG Osnabrück vom 31.3.2006 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, zu Zwecken der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens für den Verkauf von neuen Personenkraftfahrzeugen (i.S.d. § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV) zu werben, ohne den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen anzugeben, insb. die Werte des Testzyklus innerorts und außerorts sowie kombiniert und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Soweit wegen der Unterlassung vollstreckt wird, darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Soweit wegen der Kosten vollstreckt wird, darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der klagende Verein ist ein Interessenverband von Kraftfahrzeughändlern. Er begehrt von dem beklagten Autohaus eine Unterlassung der Werbung für den Kauf von Neufahrzeugen, in der die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zum Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen nicht gemacht werden. Dies verstoße gegen die Regeln der §§ 1, 5 i.V.m. der Anlage 4 zu § 5 der Pkw-Energieverbrauchs-kennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV). Die wettbewerbsrechtliche Relevanz ergebe sich daraus, dass die Verordnung der Umsetzung der Richtlinie 1999/94/EG vom 13.12.1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing neuer Personenkraftwagen dient.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie sei nach Abschnitt I Ziff. 3 der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV schon deshalb nicht verpflichtet, die geforderten Angaben zu machen, weil sie lediglich für eine Fabrikmarke oder einen Typ geworben und keine Angaben zur Motorleistung gemacht habe. Die beworbenen Fahrzeuge seien auch nicht neu i.S.d. durch den BGH entwickelten Rechtsprechung. Die in der Anzeige enthaltene Angabe zum Baujahr des N. mit "02/05" sei irrtümlich erfolgt; in Wahrheit handele es sich um das Datum der Erstzulassung. Im Übrigen sei die Pkw-EnVKV wegen ihrer die grundgesetzlich (Art. 12 Abs. 1 GG) geschützte Berufsfreiheit unverhältnismäßig beschränkenden Wirkung unwirksam, jedenfalls aber restriktiv auszulegen. Fehle es bei einer bloßen Typenwerbung wie hier an konkreten Angaben zur Motorleistung, wie sie in Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV, Abschnitt I, Ziff. 3 aufgezählt sind, sei die Ausnahmeregelung vorrangig gegenüber der Kennzeichnungspflicht.

Das LG hat Haupt- und Hilfsantrag des Klägers abgewiesen. Es hat gemeint, die gewählten Bezeichnungen (z.B. N. Terrano 2,7 TD oder S. 2,5 CRDi EX) enthielten keine Angaben zur "Motorisierung". Deshalb seien nach der vorzitierten Ausnahmeregelung auch keine weiteren Hinweise zum Verbrauch etc. erforderlich. Der Hilfsantrag sei nicht begründet, weil die Werbung der Beklagten keine irreführenden Angaben in Bezug auf das Alter der Fahrzeuge enthalte.

Gegen dieses ihm am 6.4.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.4.2006 Berufung eingelegt und diese nach bewilligter Fristverlängerung am 30.6.2006 begründet.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger eine seinen erstinstanzlichen Anträgen entsprechende Abänderung des angefochtenen Urteils. Er beantragt, das Urteil des LG Osnabrück vom 31.3.2006, Geschäfts-Nr. 13 O 575/05 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzend...

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