Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts nach § 57 a Satz 2 ZVG ist regelmäßig eine Überlegungsfrist von bis zu einer Woche ausreichend.
2. Der Ersteher, der persönlich am Versteigerungstermin nicht teilnimmt, hat durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass er von der Erteilung des Zuschlages unverzüglich Kenntnis erlangt.
Verfahrensgang
LG Aurich (Urteil vom 18.06.2001; Aktenzeichen 2 O 119/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Juni 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,– DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,– DM.
Tatbestand
Die Klägerin hat durch Mietvertrag vom 30. Dezember 1997 von Herrn B… in … das Betriebsgelände gepachtet, in dem dieser zuvor einen Verkauf von Ford Fahrzeugen und eine Kfz-Werkstatt betrieben hatte. Es handelte sich hierbei um die Flurstücke …/…, …/…, …/…, …/…, …/…, …/…, …/…, …/… und …/…. In einem ersten Zwangsversteigerungstermin ersteigerten die Eheleute … und … F… die Flurstücke …/…, …/…, …/… und …/… sowie die Flurstücke …/…, …/… und …/…. Die Ersteher kündigten den Mietvertrag vom 30.12.1997 nicht. Die Klägerin schloss daraufhin mit … B… den Änderungsmietvertrag vom 21.07.1999. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der beiden Mietverträge Bezug genommen (Bl. 5 – 14 GA.).
In einem weiteren Versteigerungstermin am 28. September 2000 ersteigerte die Beklagte die Flurstücke …/… und …/… (Grundbuch von … Blatt …). Im Zwangsversteigerungstermin wurde darauf hingewiesen, dass das versteigerte Grundstück an die Klägerin aufgrund der Mietverträge vom 30. Dezember 1997 mit Änderungen vom 21.07.1999 vermietet ist. Der Rechtspfleger wies auch auf das Sonderkündigungsrecht nach § 57 a ZVG hin. Mit Schreiben vom 09. Oktober 2000 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis zum 31. Januar 2001. Dieser Kündigung hat die Klägerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2000 widersprochen. Die Beklagte wurde im Versteigerungstermin am 28. September 2000 durch den Notariatsbürovorsteher … R… vertreten. Ihm war eine Bietervollmacht wie folgt erteilt worden (GA 119):
„Die Firma W… GmbH, …, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts … unter – HR B … –, vertreten durch den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer …, geschäftsansässig ebenda, bevollmächtigt hiermit den Notariatsbürovorsteher … R…, dienstansässig …, die Firma W… GmbH in dem Verfahren betreffend die Zwangsversteigerung des im Grundbuch von … Band … Bl. … verzeichneten Grundbesitzes, Flur … Flurstücke …/… sowie …/… der Gemarkung … (Aktenzeichen: 9 K 29/00) zu vertreten.
Der Bevollmächtigte wird hiermit ermächtigt, für die Firma W… GmbH, …, zu bieten, den Zuschlag für die Firma W… GmbH zu beantragen, Vereinbarungen über das Bestehenbleiben von Rechten zu treffen; überhaupt alle Erklärungen für die Firma W… GmbH abzugeben, die in diesem Verfahren in Betracht kommen.
…, den 22. September 2000
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei mit ihrer Kündigung gemäß § 57 a Satz 2 ZVG ausgeschlossen, da sie nicht zum ersten zulässigen Termin erklärt worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass der Mietvertrag der Klägerin mit Herrn B…, … vom 30. 12. 1997 mit Änderung vom 21.07.1999 durch die Kündigung der Beklagten vom 09.10.2000 nicht beendet worden ist, sondern zwischen den Parteien fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die am 09. Oktober 2000 ausgesprochene Kündigung sei nicht i. S. d. § 57 a Satz 2 ZVG verspätet. Die Mitarbeiter der Beklagten seien zusammen mit dem Geschäftsführer W… am 26. September 2000 von Hamburg nach Agadir geflogen. Der Rückflug von Agadir nach Hamburg habe am 03.10.2000, die Rückkehr nach … am Morgen des 04.10.2000 etwa gegen 4.00 Uhr stattgefunden. Wegen der späten Rückkehr sei die Bürotätigkeit im Bürogebäude der Beklagten in … erst am 04. Oktober 2000 um 14.00 Uhr aufgenommen worden. Am 04. Oktober 2000 habe der durch die einwöchige Abwesenheit der Mitarbeiter der Beklagten entstandene Poststau noch nicht abgearbeitet werden können. Der Geschäftsführer der Beklagten habe von daher den Terminsbericht des Bürovorstehers R… vom 29. September 2000 über die Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungstermin vom 28. September 2000 am 04. Oktober 2000 noch nicht zur Kenntnis genommen gehabt. Das Schreiben vom 29. September 2000 sei erst am 05. Oktober 2000 geöffnet und mit einem Eingangsstempel versehen worden. Der Geschäftsführer der Beklagten habe das Schreiben entweder am Sonnabend den 07. Oktober 2000 oder am Montag den 09. Oktober 2000 zur Kenntnis genommen. Daraufhin sei sofort gekündigt worden. Die Beklagte sei von daher ohne Verschulden gehindert gewesen, das Mietverhältnis mit ...