Leitsatz (amtlich)
Leistet der Unfallversicherer innerhalb der Dreijahresfrist der Ziff. 9.4. AUB 2003 nur Vorschusszahlungen und setzt er die Invalidität erstmals nach Ablauf der Dreijahresfrist endgültig fest, ist für die Bemessung der Invalidität und ihre gerichtliche Überprüfung der Gesundheitszustand bei Ablauf der Dreijahresfrist maßgeblich.
Normenkette
AUB 2003 Nr. 9.4
Verfahrensgang
LG O. (Urteil vom 28.05.2014) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG O. vom 28.5.2014 wird zurückgewiesen
Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten - soweit noch Gegenstand des Berufungsverfahrens - um eine Rückforderung von Vorschussleistungen aufgrund eines privaten Unfallversicherungsvertrages.
Der Beklagte unterhält bei der Klägerin eine private Unfallversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein vom 18.12.2006, die einbezogenen AUB 2003 und die weiter einbezogenen besonderen Bedingungen Bezug genommen (Anlage K1 und Anlagenkonvolut K2 Anlagenband K). Die Unfallinvaliditätssumme betrug 105.000 EUR; in den Vertrag einbezogene "Besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel (225 %)" (im Folgenden: Progressionsbedingungen) sahen u.a. vor, dass (a) für 25 Prozentpunkte des unfallbedingten Invaliditätsgrades der Versicherer die Invaliditätsleistung aus der im Versicherungsschein festgelegten Invaliditätssumme festlegt und dass (b) "jeder Prozentpunkt, der den unfallbedingten Invaliditätsgrad von 25 Prozent, nicht aber 50 Prozent übersteigt, (...) vom Versicherer bei der Berechnung der Invaliditätssumme mit zwei multipliziert und der Invaliditätssumme gemäß a) hinzugerechnet" werde. Am Ende der Progressionsbedingungen ist eine Tabelle abgedruckt, in der einzelnen (vollen) Prozentsätzen der Invalidität zwischen 26 % und 100 % aus der Erhöhung resultierende bestimmte (volle) erhöhte Prozentsätze zugewiesen werden.
Gegenstand des Verfahrens ist die (Teil-) Invalidität des Beklagten infolge eines Unfalls am 28.4.2007.
Die Klägerin leistete an den Beklagten insgesamt Vorschusszahlungen i.H.v. 86.719,50 EUR, die mit klägerischen Schreiben vom 14.1.2010 nach 1/10 Beinwert bezüglich des linken Beines, 1/3 Handwert bezüglich der rechten Hand sowie 2/7 Armwert bezüglich des linken Arms und damit nach einem Gesamtinvaliditätsgrad von 52,53 % (nach Progression: 82,59 %) abgerechnet wurden. Nach weiteren Untersuchungen (zuletzt am 14.6.2010) setzte die Klägerin den unfallbedingten Invaliditätsgrad mit Schreiben vom 22.7.2010 auf 43,5 % (nach Progression: 62,0 %) unter Berücksichtigung von 3/10 linker Armwert und 3/10 rechter Handwert fest und forderte überbezahlte Vorschüsse i.H.v. 21.690,50 EUR vom Beklagten zurück. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des LG O. vom 28.5.2014 - 9 O 479/12, in der durch Beschluss vom 30.6.2014 geänderten Fassung wird im Übrigen Bezug genommen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung von medizinischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Helmut L.. Gegenstand der Gutachten war gemäß landgerichtlicher Vorgabe der Invaliditätsgrad beim Beklagten per Stichtag 28.4.2010 (drei Jahre nach dem Unfallzeitpunkt).
Das LG hat mit Urteil vom 28.5.2014 der auf Rückzahlung von 21.619,50 EUR nebst Zinsen seit Klagezustellung gerichteten Klage insoweit stattgegeben, als der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 18.469,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.3.2012 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage (und die nicht der Berufung unterfallende Widerklage) abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Im Wesentlichen hat das LG ausgeführt, dass es sich bei der Abrechnung der Klägerin vom 22.7.2010 um eine Neubemessung handele, so dass auf den Gesundheitszustand des Beklagten bei Ende der Dreijahresfrist abzustellen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe ein Invaliditätsgrad vorgelegen, der 4/10 Handwert links und 3/10 Handwert rechts entspreche. Insgesamt bestünde daher ein Invaliditätsgrad von 45,5 %, der unter Berücksichtigung der Progression einen Versicherungsanspruch i.H.v. 65 % der Invaliditätssumme rechtfertige. Dementsprechend liege ein Überzahlung von 18.469,50 EUR vor.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er im Wesentlichen geltend macht, dass das LG für die Feststellung des Invaliditätsgrades auf einen falschen Zeitpunkt abgestellt habe. Bei der von der Klägerin mit Schreiben vom 22.7.2010 erfolgten Abrechnung handele es sich nicht um die Ausübung e...