Leitsatz (amtlich)
a) Es stellt keine unangemessene Benachteiligung eines Handelsvertreters im Nebenberuf dar, wenn die im vorformulierten Handelsvertretervertrag geregelte Kündigungsfrist länger ist als die gesetzliche Kündigungsfrist für den hauptberuflichen Handelsvertreter. Die in einem solchen Vertrag enthaltene Klausel, nach der die ordentliche Kündigung nach einer Vertragslaufzeit von drei Jahren nur noch unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres zulässig ist, hält einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand (gegen OLG Celle, Beschluss vom 9. Juni 2005 - 11 U 110/05, OLGR 2005, 650).
b) Die in einem vorformulierten Versicherungsvertretervertrag enthaltene Vertragsstrafenklausel:
"Vermittelt der Finanzdienstleister während der Laufzeit des Vertrages unter Verletzung des Wettbewerbsverbotes konkurrierende Produkte oder Dienstleistungsgeschäfte für Dritte, verpflichtet er sich für jedes einzelne vermittelte Geschäft zur Zahlung einer Vertragsstrafe an [...]. Die Vertragsstrafe beläuft sich auf das Dreifache der erstjährigen Aschlussprovision, die der Finanzdienstleister aus dem Geschäft von [...] zu beanspruchen hätte, wenn er es vertragsgemäß bei [...] eingereicht hätte."
hält einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.
c) Die in einem vorformulierten Versicherungsvertretervertrag enthaltene Vertragsstrafenklausel:
"Die Bestimmungen der vorgenannten Ziffer [...] gelten entsprechend, wenn der Finanzdienstleister Kunden dazu überredet, Verträge aus dem Bestand [...] beitrags- oder prämienfrei zu stellen, zu widerrufen, zu kündigen oder die geschuldeten Entgelte nicht mehr an die Partnergesellschaft zu zahlen. In diesem Fall beläuft sich die Vertragsstrafe auf das Dreifache der Provision, die dem Finanzdienstleister in den nächsten zwölf Monaten aus dem Geschäft zugeflossen wäre, wenn der Vertrag weiterhin prämien- und beitragsaktiv im Bestand [...] verblieben wäre."
benachteiligt die Versicherungsvertreter unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Aurich (Entscheidung vom 13.01.2012) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. Januar 2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
1. wie viele Versicherungs- und sonstige Anlageprodukte sie vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2011 für die V...AG vermittelt bzw. dies versucht hat, soweit es sich um von der Klägerin vertriebene Konkurrenzprodukte handelt, namentlich um Versicherungsverträge jeder Art, insbesondere aus den Sparten Lebens-, Renten-, Kranken- und sonstige Personenversicherungen sowie Sachversicherungen ausgenommen Kraftfahrtversicherungen, wobei die Auskunft folgende Punkte zu enthalten hat:
- Name des Versicherers/Produktgebers
- Sparte
- Tarif
- Laufzeit
- Höhe des Jahresbeitrags
- im Krankenversicherungsgeschäft Höhe des Monatsbeitrags;
2. welchen Kunden, denen sie über die Klägerin Verträge vermittelt hatte, die Beklagte in der Zeit vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2011 geraten hat, diese Verträge beitragsfrei zu stellen und/oder zu widerrufen und/oder zu kündigen und/oder die geschuldeten Entgelte nicht mehr an die Partnergesellschaft zu zahlen, wobei die Auskunft nachfolgende Punkte zu enthalten hat:
- vollständiger Name des Kunden
- Name des Versicherers/Produktpartners
- Versicherungsscheinnummer
- Sparte
- Tarif
- provisionsrelevante Änderung am ursprünglich vermittelten Vertrag wie beispielsweise Beitragsfreistellung, Beitragsreduzierung, Kündigung.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung wegen der Hauptsache darf die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung wegen der Kosten darf die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin ist eine Vermittlungsgesellschaft, die für andere Unternehmen Versicherungen, Bausparverträge und Kapitalanlagen vermittelt. Die Beklagte war für die Klägerin aufgrund eines Finanzdienstleistungsvermittlungsvertrages vom 5./31. August 2004 (GA I 5 ff.) als selbständige Handelsvertreterin ("Finanzdienstleister") tätig und vermittelte in dieser Eigenschaft für die Partnerunternehmen der Klägerin Versicherungsverträge und Anlageprodukte. Der Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"2. Rechtsstellung des Finanzdienstleisters
2.1 Der Finanzdienstleister ist selbständiger Handelsvertreter im Neben...