Leitsatz (amtlich)
Die Familiengerichte und nicht die Zivilgerichte sind sachlich zuständig für Verfahren, mit denen die Feststellung oder negative Feststellung erstrebt wird, ein zur Insolvenztabelle angemeldeter titulierter Unterhaltsanspruch resultiere aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung oder nach der Neufassung des § 302 Nr. 1 InsO aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem rückständigem Unterhalt.
Normenkette
InsO § 3 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Wismar (Beschluss vom 16.12.2015) |
Tenor
Auf die - sofortige - Beschwerde des Antragstellers wird der Verweisungsbeschluss des AG Wismar - Familiengericht - vom 16.12.2015 geändert:
Zur Entscheidung berufen ist das AG Wismar - Familiengericht.
Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 500,00 Euro festgesetzt.
Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt B bewilligt.
Gründe
I. Mit seiner beim Familiengericht des AG Wismar eingereichten "Klage" erstrebt der in Verbraucherinsolvenz befindliche Antragsteller die - negative - Feststellung, dass die vom Beistand für sein minderjähriges Kind K. zur Insolvenztabelle angemeldete Unterhaltsforderung über einen Betrag von rückständigen 1.256,44 Euro entgegen dem zur Tabelle angegebenen Forderungsgrund nicht aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt.
Der vom Familiengericht mit gerichtlicher Verfügung vom 25.11.2015 angekündigten Verweisung an die Zivilabteilung hat der Antragsteller widersprochen und keinen Verweisungsantrag gestellt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.12.2015 hat das Familiengericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an die Zivilabteilung des AG Wismar verwiesen. Es hat dies damit begründet, dass das Oberlandesgericht Rostock für Fälle der vorliegenden Art die Zuständigkeit der Zivilgerichte für gegeben erachte. In Bezug genommen wurde der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 14.01.2011 zum Az. 10 WF 4/11.
Dagegen wendet sich die vom Antragsteller eingelegte sofortige Beschwerde. Er macht geltend, dass für sog. "Attributsklagen" der vorliegenden Art nach der einhelligen Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung das Familiengericht zuständig sei.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig.
Das Familiengericht stützt seine Entscheidung auf § 17a GVG und meint, dass der zu ihm beschrittene "Rechtsweg" unzulässig sei. Folgerichtig ergibt sich damit die Beschwerdemöglichkeit aus § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG.
Dem steht nicht entgegen, dass hier tatsächlich gar keine Rechtswegentscheidung zu treffen war. Denn die Bestimmung des § 17a GVG bezieht sich nicht auf unterschiedliche sachliche Zuständigkeiten innerhalb eines Rechtsweges, hier also innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern soll die Möglichkeit eröffnen, eine Streitigkeit entsprechend ihrer Rechtsnatur auch in einen anderen Rechtsweg, also z.B. in die Arbeitsgerichtsbarkeit oder die Sozialgerichtsbarkeit bzw. Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verweisen.
Solches steht hier nicht infrage. Denn sowohl das Familiengericht als auch das Zivilgericht gehören der ordentlichen Gerichtsbarkeit an, wenn auch insoweit unterschiedliche sachliche Zuständigkeiten bestehen. Damit hätte hier eine Verweisung an die Zivilabteilung aber nur auf einen entsprechenden Antrag des Antragstellers hin erfolgen können, weil eine Unterhaltssache als Familienstreitsache gemäß §§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG gegenständlich ist und somit die Vorschriften der ZPO anzuwenden sind, also § 281 Abs. 1 ZPO. Die Anwendung von § 3 FamFG ist wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG ausgeschlossen.
Obgleich sich damit die Anwendung von § 17a GVG insgesamt als nicht zutreffend erweist, wird hier dem Antragsteller nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG einzuräumen sein, zumal das AG selbst mit dem angefochtenen Beschluss über diese Beschwerdemöglichkeit ausdrücklich belehrt hat.
Die - sofortige - Beschwerde des Antragstellers ist auch in der Sache begründet.
Zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist das Familiengericht beim AG Wismar berufen.
Der Senat erkennt, dass seiner im Wege eines obiter dictum getroffenen Zuständigkeitsentscheidung vom 14.01.2011 (10 WF 4/11 = FamRZ 2011, 910) die Rechtsprechung der anderen Oberlandesgerichte nicht gefolgt ist. Es entspricht mittlerweile ganz einhelliger Auffassung, dass die Familiengerichte für die sog. "Attributsklagen" zuständig sind, bei denen es um die Feststellung bzw. negative Feststellung geht, ein zur Insolvenztabelle angemeldeter titulierter Unterhaltsanspruch resultiere - bzw. resultiere nicht - aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung oder nach der Neufassung des § 302 Nr. 1 InsO aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem rückständigem Unterhalt (vgl. OLG Celle, FamRZ 2012,...