Leitsatz (amtlich)
1. Zur Senatszuständigkeit für eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen.
2. Zur wirksamen Verlautbarung eines Urteils; fehlender oder unzureichender Verkündungsvermerk; Entscheidungserlass durch Übergabe an die Geschäftsstelle.
3. Zu den Voraussetzungen und Grenzen eines Zurückweisungsrechts nach § 174 BGB.
4. Zur Anwendung des § 93 ZPO in Fällen, in denen ein Zurückweisungsrecht nach § 174 BGB daran scheitert, dass die Abmahnung - wie in der Praxis meist - mit dem Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages verbunden ist.
Normenkette
BGB § 174; ZPO §§ 93, 310 Abs. 3 S. 1, § 315 Abs. 3 S. 3, § 568 S. 1
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 09.02.2021; Aktenzeichen 6 HK O 6/21) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen die Kostenentscheidung in dem Anerkenntnisurteil des Landgerichts Rostock vom 09.02.2021, Az.: 6 HK O 6/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von bis zu ... EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten nach Erlass eines Anerkenntnisurteils vor dem Landgericht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren in einer markenrechtlichen Auseinandersetzung um die Wort-Bild-Marke "..." noch um die Pflicht zur Tragung der Verfahrenskosten.
Hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung nimmt der Senat auf den Tatbestand des Anerkenntnisurteils vom 09.02.2021 (Band I Blatt 56 ff. d.A.) Bezug, das auf die mündliche Verhandlung vom 02.02.2021 ergangen ist. Die für die Entscheidung im Kostenpunkt maßgebliche Chronologie des Abmahnungs- und Antragstellungsgeschehens stellt sich im Wesentlichen so dar, dass die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte mit anwaltlichem Abmahnungsschreiben vom 12.01.2021 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderte. Dieses Schreiben ist der Verfügungsbeklagten im Original am 13.01.2021 postalisch zugegangen. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt am Vormittag des 13.01.2021 hatte Herr ... - einer von zwei gerichtlich bestellten Betreuern des im Koma liegenden einzigen Komplementärs der Verfügungsklägerin - eine Ablichtung des Schreibens der Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten persönlich überbracht. Eine Vollmachtsurkunde war weder dem postalisch übermittelten Original des Schreibens noch der persönlich überbrachten Ablichtung beigefügt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.01.2021 wies die Verfügungsbeklagte die Abmahnung unter Hinweis darauf zurück, dass eine Vollmacht nicht beigebracht sei. Die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin reagierten hierauf mit - über beA am selben Tag zugegangenem - Schreiben vom 15.01.2021 und legten die Bestallungsurkunde bzw. den Betreuerausweis für Herrn ... sowie eine durch Herrn ... unterzeichnete Vollmachtsurkunde vor. Eine weitere Reaktion der Verfügungsbeklagten wurde nicht abgewartet; ebenfalls mit beA-Eingang am 15.01.2021 übermittelte die Verfügungsklägerin den verfahrenseinleitenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an das Landgericht. Am 26.01.2021 sowie am 27.01.2021 verwendete die Verfügungsbeklagte erneut die streitbegriffene Marke in Briefköpfen und Korrespondenzinhalten. Das trug die Verfügungsklägerin im Verhandlungstermin vom 02.02.2021 (Band I Blatt 34 ff. d.A.) mündlich unter Vorlage der die Marke beinhaltenden Schreiben vor, woraufhin die Verfügungsbeklagte noch im Termin - unmittelbar anschließend - Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast erklärte.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens hat die Kammer in Anwendung von § 93 ZPO der Verfügungsklägerin auferlegt. Hiergegen richtet sich die verfügungsklägerische Beschwerde, der die Kammer mit Beschluss vom 04.03.2021 (Band I Blatt 78 f. d.A.) nicht abgeholfen hat. Für das Vorbringen der Parteien im Beschwerderechtszug wird auf die Beschwerdeschrift der Verfügungsklägerin vom 22.02.2021 (Band I Blatt 71 ff. d.A.) sowie die Erwiderungsschrift der Verfügungsbeklagten vom 03.03.2021 (Band I Blatt 75 ff. d.A.) Bezug genommen.
II. Die mit Blick auf § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässige - insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde (§§ 567 ff. ZPO) der Verfügungsklägerin gegen die in dem Anerkenntnisurteil vom 09.02.2021 nach Maßgabe des § 93 ZPO zum Nachteil der Verfügungsklägerin getroffene Kostenentscheidung ist nicht begründet und bleibt daher im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Über die Beschwerde entscheidet der Senat im Ganzen, weil es sich bei der angefochtenen Entscheidung durch den KfH-Vorsitzenden im Rechtssinne nicht um eine Einzelrichterentscheidung (§ 568 Satz 1 ZPO) handelt (BGH, Beschluss vom 20.10.2003 - II ZB 27/02, NJW 2004, 856 [Juris; Tz. 10]; KG, Beschluss vom 01.03.2016 - 23 W 7/16, MDR 2016, 422 [Juris; Tz. 3]; Senat, Beschluss vom 05.02.2020 - 2 W 2/20).
2. Das Anerkenntnisurteil insgesamt - und damit auch die in ihm enthaltene und hier mit der Beschwerde angegriffene Kostenentscheidung - ist zunächst und jedenfalls wirksam. ...