Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergabeverfahren: Erklärung des Bieters zur befristeten Gültigkeit seiner Preise als Kalkulationshinweis; Zulässigkeit einer Änderung der Vergabeunterlagen durch Vornahme eines fiktiven Wertungsvorteils für eine qualitativ bessere Leistung einer Wahlposition
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Bieter in der Urkalkulation und in einem Aufklärungsschreiben Einheitspreise mit dem Zusatz "Materialbonus bei Abschluss bis zum 5.7.2013" versieht, handelt es sich nicht um einen Preisvorbehalt, der zu einem Ausschluss des Bieters berechtigen würde, sondern um einen zulässigen Hinweis auf kalkulatorische Annahmen (hier: Bonus des Lieferanten bei dessen Beauftragung bis zu dem genannten Datum).
2. Wird in der Ausschreibung eines Autobahnneuloses das Zuschlagkriterium "niedrigster Preis" angegeben und sind die Grundpositionen in Asphaltbauweise, als Wahlposition die Bauweise in Beton ausgeschrieben, ist eine Änderung der Vergabeunterlagen kurz vor Angebotsabgabe durch den Auftraggeber zulässig, wonach bei der Wertung der Betonbauweise ein fiktiver Euro-Preisabschlag pro Quadratmeter mit der Begründung vorgenommen wird, die Betondecke habe eine höhere Dauerhaftigkeit. Denn der fiktive Wertungsvorteil entspricht noch einer reinen Preiswertung, weil ein Euro-Betrag vom Preis abgesetzt wird. Ein neues Wertungskriterium wird nicht eingeführt. Es kommt nur darauf an, dass die Veränderung für alle Bieter diskriminierungsfrei und transparent vorgenommen wird.
Normenkette
EGRL 18/2004 Art. 53 Abs. 1; VOBA2 § 13 Abs. 1 Nrn. 3, 5, § 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Abs. 2; GWB § 108 Abs. 2; BGB § 116 S. 2
Verfahrensgang
2. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft (Beschluss vom 02.07.2013; Aktenzeichen 2 VK 08/13) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner und der Beigeladenen wird der Beschluss der 2. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern vom 2.7.2013 - Az.: 2 VK 08/13 - abgeändert.
2. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 5.6.2013 wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beigeladenen werden der Antragstellerin auferlegt.
4. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin und die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer und im Beschwerdeverfahren war notwendig.
Gründe
A. Das S S machte in Angelegenheit einer Bundesauftragsverwaltung am 22.1.2013 den Auftrag "Neubau der ... (VKE 7) von km 11+050 bis km 23+700 mit AS L N, beidseitige PWC-Anlage und 4 Bauwerke" europaweit im Offenen Verfahren bekannt. Als Baubeginn wurde der 17.6.2013, für das Ende der Bauarbeiten der 24.7.2015 festgelegt. Als Zuschlagskriterium wurde alleine der niedrigste Preis benannt (ZIff. 6 der EU-Angebotsaufforderung vom 17.1.2013). Dort hieß es weiter:
"Der Preis (in EUR, netto) wird aus der Wertungssumme des Angebotes ermittelt. Die Wertungssumme wird ermittelt aus der nachgerechneten Angebotssumme, insbesondere unter Berücksichtigung von Nachlässen, dem event. Erstattungsbetrag aus der Lohngleitklausel sowie preislich günstigeren Grund- und Wahlpositionen."
Varianten/Alternativangebote und Nebenangebote waren nicht zulässig (ZIff. 5.1 ebenda).
Mit der EU-Angebotsaufforderung forderte die Vergabestelle unter Ziff. 3.1 außerdem die Einreichung der detaillierten Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag. Sie wies darauf hin, dass der Auftraggeber während der Angebots- und Wertungsphase berechtigt sei, den Umschlag zu öffnen und die Kalkulation einzusehen.
Das übersandte Leistungsverzeichnis enthielt als Abschnitt 04 Straßenbau ... 14 (Asphalt Splittmastix) als Grundgruppe und als Abschnitt 05 Straßenbau ... A 14 (Beton) als Wahlgruppe. Unter der Ordnungszahl 4.1.200007 wurde die Asphaltdeckschicht in SMA 8 S (Splittmastixasphalt) mit einer Einbautechnologie "heiß auf heiß" (ca. 214.000 qm) ausgeschrieben.
Mit der ersten Änderungsmitteilung zu der EU-Angebotsaufforderung vom 20.2.2013, dort unter Ziff. 10, wurde mitgeteilt:
"Für die Grund- und Wahlgruppe wird bei der Wertung der Angebote der Wertungsvorteil in Anlehnung an ARS Nr. 05/2005 - Wertung der Betonbauweise von 1,80 EUR netto/qm gegenüber der Splittmastixasphaltbauweise - angewandt."
Das ARS 05/2005 ist ein vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen herausgegebenes Rundschreiben für die Straßenbaubehörden der Länder vom 16.6.2005, mit dem Hinweise gegeben werden, welche rechnerischen Faktoren herangezogen werden können, um von einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit mit Straßendeckschichten in Betonbauweise ausgehen zu können, wenn in Nebenangeboten eine Deckschicht aus Splittmastixasphalt angeboten wird. Hierzu heißt es:
"Eine Asphaltbauweise mit einer Deckschicht aus Splittmastixasphalt (SMA) ist dann wirtschaftlich gleichwertig, wenn die Wertungssumme des Angebots mit SMA mindestens einen Betrag von 1,80 EUR (netto) pro m2 mal der Fläche der einzubauenden SMA...