Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltszwang für abgetrenntes und wiederaufgenommenes Versorgungsausgleichsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Wieder aufgenommene Versorgungsausgleichssachen i.S.d. Art. 111 Abs. 4 FGG-RG bleiben Folgesachen. Der Anwaltszwang besteht fort.
Normenkette
FGG-RG Art. 111 Abs. 4 S. 2; FamFG § 114 Abs. 1, § 137 Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
AG Schwerin (Beschluss vom 24.03.2010; Aktenzeichen 20 F 333/09) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Schwerin vom 24.3.2010 - 20 F 333/09 - wird verworfen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 1.080 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Antragsteller und Antragsgegnerin heirateten am 8.4.1971. Der Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Gegenseite am 6.3.2008 zugestellt. Mit dem rechtskräftigen Scheidungsurteil vom 13.8.2008 wurde der Versorgungsausgleich gem. § 2 VAÜG ausgesetzt.
Nach Wiederaufnahme des Verfahrens und Einholung neuer Auskünfte der Versorgungsträger hat das AG mit Beschluss vom 24.3.2010 über den Versorgungsausgleich entschieden. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 29.3.2010 zugestellt worden.
Mit am 22.4.2010 bei dem AG eingegangener, persönlich verfasster und unterzeichneter Beschwerdeschrift wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Sie beziehe seit dem 1.3.2009 eine Altersrente. Laut Düsseldorfer Tabelle müsse ihr ein gewisser Selbstbehalt bleiben. Sie sei deshalb nicht bereit, den Versorgungsausgleich in der genannten Höhe zu zahlen.
Die Vorsitzende hat den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin unter Hinweis auf den bestehenden Anwaltszwang auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hingewiesen. Eine Stellungnahme ist innerhalb der gesetzten Frist nicht erfolgt.
II.1. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden ist (§ 68 Abs. 2 FamFG). Denn für das Verfahren gilt Anwaltszwang, weshalb eine Beschwerde nur zulässig eingelegt ist, wenn sie durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet ist.
a) Anwaltszwang besteht für die (geschiedenen) Ehegatten - nicht für sonstige Beteiligte - in einer Versorgungsausgleichssache in I. Instanz wie auch im Beschwerderechtszug, solange das Verfahren den Charakter einer Folgesache hat (§ 114 Abs. 1 FamFG). Folgesachen sind die in § 137 FamFG aufgeführten Angelegenheiten, wenn eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen und - in den Fällen des § 137 Abs. 2 Nr. 2 - 4, Abs. 3 FamFG - ein dahingehender Antrag rechtzeitig gestellt ist. Der Charakter als Folgesache bleibt auch bei Auflösung des Verbundes grundsätzlich erhalten (§ 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG). Dies entspricht der Rechtslage vor Inkrafttreten des FGG-RG (vgl. nur Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 628 Rz. 1, 13; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 628 Rz. 19).
Zwar werden von einem ZPO-Scheidungsverfahren abgetrennte - wie auch ausgesetzte (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 4.3.2010 - 8 WF 33/10; s. auch BT-Drucks. 16/11903 S. 57, 62; zum Sprachgebrauch nach altem Recht Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, a.a.O., § 628 Rz. 1, 11, 13; Zöller/Philippi, a.a.O., § 628 Rz. 18; Götsche, FamRZ 2009, 2047, 2052) - Versorgungsausgleichssachen nach dem Übergangsrecht selbständig fortgeführt (Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG). Diese gesetzliche Anordnung lässt indes das Erfordernis anwaltlicher Vertretung nicht entfallen:
Für die Frage, ob eine anwaltliche Vertretung geboten ist, ist maßgebend, ob die selbständige Fortführung der Sachen die Eigenschaft als Folgesache entfallen lässt (bejahend OLG Naumburg, Beschl. v. 4.3.2010 - 8 WF 33/10; verneinend OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.5.2010 - 15 WF 125/10).
Die grammatikalische Auslegung des Art. 114 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG lässt beide Deutungen zu. Einerseits kann sich die Selbständigkeit auf den Restverbund beziehen und die (verfahrensrechtliche) Abhängigkeit von der Ehesache - mithin die Einordnung als Folgesache - unberührt lassen. Andererseits ist denkbar, dass die Angelegenheit verfahrensrechtlich (nicht materiell-rechtlich) losgelöst von allen sonstigen Angelegenheiten weiter betrieben werden, der Charakter als Folgesache also aufgehoben sein soll.
Auch die Definition des Begriffes Folgesache führt nicht zu einer zweifelsfreien Einordnung. Zwar ist der Versorgungsausgleich weiterhin durch die Scheidung bedingt. Diese Bedingung ist allerdings materiell-rechtlich sichergestellt (§§ 1587 BGB, 1, 9 VersAusglG) und bedeutet nicht zwingend, dass auch die verfahrensrechtliche Verbindung erhalten bleiben muss. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Wertausgleich bei der Scheidung bereits anfänglich nicht in jedem Fall Folgesache ist. Insbesondere bei Auslandsscheidungen kann der Versorgungsausgleich auch isoliert durchgeführt werden.
Systematisch ist zu beachten, dass das Gesetz eine Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG entsprechende Formulierung a...