Entscheidungsstichwort (Thema)
Passivlegitimation der Gemeinden bei Verkehrssicherungspflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
1. Für Amtspflichtverletzungen bei Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflichten gebietsangehöriger Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern haften diese und nicht die Ämter. Dies folgt eindeutig aus der spezialgesetzlichen Regelung der §§ 11, 14, 50 StrWG-MV, wonach die Gemeinden verkehrssicherungspflichtig und zur Schneeräumung auf Gehwegen und Überwegen für Fußgänger sowie bei Schneeglätte und Glatteis zum Bestreuen der Gehwege und Fußgängerüberwege verpflichtet sind.
2. Zu den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung der Gemeinde i.S.v. § 127 Abs. 1 S. 2 KV-MV gehört nicht die Räum- und Streupflicht. Dazu zählen nur reine verwaltungstechnische Aufgaben wie etwa Vorbereitung und Durchführung gemeindlicher Selbstverwaltungsaufgaben, Besorgung der Kassen- und Rechnungsführung, Vorbereitung der Aufstellung der Haushaltspläne sowie Veranlagung und Erhebung von Gemeindeabgaben. Die Zuständigkeit des Amtes beschränkt sich auf die verwaltungstechnische Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse der gemeindlichen Organe, an die es gebunden ist.
Normenkette
StrWG MV §§ 11, 14, 50; KV MV § 127 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Rostock (Beschluss vom 31.08.2009; Aktenzeichen 3 O 107/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Rostock vom 31.8.2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.
Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
Gründe
I. Die Antragstellerin beabsichtigt, die Gemeinde ... wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG in Anspruch zu nehmen und trägt dazu vor, die Gemeinde habe ihre winterliche Räum- und Streupflicht verletzt.
Das LG hat das Prozesskostenhilfegesuch wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die beklagte Gemeinde sei nicht passivlegitimiert. Für eine etwaige Amtspflichtverletzung durch mangelhafte Kontrolle der Einhaltung der Räum- und Streupflicht durch Mitarbeiter des Bauhofs oder eine Amtspflichtverletzung durch die Bauhofsmitarbeiter selbst sei das betreffende Amt verantwortlich, da die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht nicht der amtsangehörigen beklagten Gemeinde, sondern wegen der in § 127 Abs. 1 S. 2 KV M-V geregelten gesetzlichen Aufgabendelegation für die laufende Verwaltung dem betroffenen Amt obliege.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das LG nicht abhalf.
II. Die gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
a) Zwar durfte das LG das Prozesskostenhilfegesuch nicht mit der Begründung zurückweisen, die Gemeinde sei nicht passivlegitimiert. Die in dem angefochtenen Beschluss zur Begründung angeführte Entscheidung des LG Rostock vom 26.4.2007 ist vereinzelt geblieben. Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Rostock haften für Amtspflichtverletzungen bei Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflichten gebietsangehöriger Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern diese und nicht die Ämter (OLG Rostock, Urt. vom 24.9.1998 - 1 U 174/97, OLGR 1999, 112; Urt. vom 4.4.2008 - 5 U 10/08; zuletzt Urteil vom 4.4.2008 - 5 U 10/08). Dies folgt eindeutig aus der spezialgesetzlichen Regelung der §§ 11, 14, 50 StrWG-MV, wonach die Gemeinden verkehrssicherungspflichtig und zur Schneeräumung auf Gehwegen und Überwegen für Fußgänger sowie bei Schneeglätte und Glatteis zum Bestreuen der Gehwege und Fußgängerüberwege verpflichtet sind. Der Senat bleibt bei dieser Auffassung und stellt klar, dass zu den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung der Gemeinde i.S.v. § 127 Abs. 1 S. 2 KV-MV nicht die Räum- und Streupflicht gehört. Dazu zählen nur reine verwaltungstechnische Aufgaben wie etwa Vorbereitung und Durchführung gemeindlicher Selbstverwaltungsaufgaben, Besorgungen der Kassen- und Rechnungsführung, Vorbereitung der Aufstellung der Haushaltspläne sowie Veranlagung und Erhebung von Gemeindeabgaben. Die Zuständigkeit des Amtes beschränkt sich auf die verwaltungstechnische Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse der gemeindlichen Organe, an die es gebunden ist (Willner/Kwaschik u.a., KV M-V, Handbuch für die Praxis, X Pkt. 1., S. 182/183). Vorliegend kommt hinzu, dass die Gemeinde ... gemeinsam mit der Gemeinde ... einen Bauhof unterhält, der für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zuständig ist. Die Tatsache, dass ein Mitarbeiter dieses Bauhofes von dem Amt bezahlt wird, ändert nichts an der Haftung der Gemeinde. Maßgeblich ist nach der sog. "Anvertrauenstheorie", die der BGH in ständiger Rechtsprechung vertritt (BGHZ 53, 217; 77, 11, 99, 326; 143, 18), wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgaben bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgekommen ist, übert...