Leitsatz (amtlich)
1. Die Kündigungstatbestände des § 543 Abs. 2 BGB sowie das Mahnungserfordernis nach § 543 Abs. 3 BGB können vertraglich modifiziert werden.
2. Die Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB kann nicht auf den Verzug mit Betriebskostennachzahlungen oder der Zahlung der Kaution gestützt werden.
3. In die Berechnung des der Kündigung zu Grunde gelegten Zahlungsrückstandes werden nicht nur rückständige Nettomieten, sondern auch Betriebskostenvorauszahlungen sowie die zu zahlende Umsatzsteuer einbezogen.
4. Bei der Bestimmung des die Kündigung begründenden Zahlungsverzuges bleiben Betriebkostenvorauszahlungen, waren sie bei Entstehung des kündigungsbegründenden Zahlungsverzuges vorhanden, zu berücksichtigen, auch wenn zwischenzeitlich Abrechnungsreife eingetreten ist. Die aus dem Schuldnerverzug folgenden Rechte bleiben dem Vermieter grundsätzlich auch nach dem Eintritt der Abrechnungsreife erhalten. Etwas Anderes kann nur dann gelten, wenn der Verzug sich allein auf Betriebskostenvorauszahlungen stützt, für welche bei Erreichen des erforderlichen Zahlungsrückstandes bereits Abrechnungsreife eingetreten ist.
5. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss der eine Kündigung begründende Zahlungsverzug vollständig beseitigt werden. Es genügt nicht, dass durch entsprechende Zahlungen der Rückstand der Gestalt verkürzt wird, dass nunmehr eine fristlose Kündigung nicht mehr gerechtfertigt wäre. Die einmal zum Zeitpunkt des Vorliegens der Kündigungsvoraussetzungen gerechtfertigte Kündigung verliert ihre Wirkung nur in den im Gesetz vorgesehenen Fällen. § 543 Abs. 2 S. 2 BGB verlangt den vollständigen Ausgleich des Rückstandes vor Zugang der Kündigung oder gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB durch eine unverzüglich erklärte Aufrechnung.
Normenkette
BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Sätze 2-3
Verfahrensgang
LG Stralsund (Entscheidung vom 15.02.2021; Aktenzeichen 6 O 138/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 15.02.2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das in Ziff. 1 genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000,00 EUR sowie 110 % der aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 350.000,00 EUR sowie in Höhe von 110 % der aus dem jeweiligen Urteil vollstreckten Kosten leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 34.272,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Räumung eines Pachtobjekts. Er verpachtete dem Beklagten mit Pachtvertrag vom 01.01.2014 ein Gewerbeobjekt am L. B. in Stralsund zum Betrieb eines Hotels. Die Pacht belief sich auf 2.000,00 EUR zzgl. einer Betriebskostenvorauszahlung von 400,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 19 %, insgesamt also 2.856,00 EUR.
In § 14 des Pachtvertrages heißt es u.a.:
"1. Die Regelungen dieses Vertrages lassen das Recht der Vertragsparteien unberührt, den vorliegenden Vertrag auf Grundlage der Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen.
2. Desweiteren ist der Verpächter berechtigt, das Pachtverhältnis ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, falls der Pächter die ihm nach diesem Vertrag obliegenden Verpflichtungen in wesentlichen Punkten nicht erfüllt. Hierzu ist der Verpächter insbesondere befugt, wenn der Pächter auch nach schriftlicher Abmahnung und Ablauf einer angemessenen Frist, den vertragswidrigen Zustand bzw. das vertragswidrige Verhalten zu ändern, ...
d) der Pächter mit der Zahlung der Pacht, der Nebenkosten oder der Leistung der Kaution mehr als zwei Monate ganz oder teilweise in Rückstand gerät, wobei geringfügige Rückstände außer Betracht bleiben."
Der Kläger erklärte gegenüber dem Beklagten am 15.10.2019 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges, nachdem ein Mitarbeiter den Beklagten zuvor mit E-Mail vom 09.09.2019 die Rückstände mitteilte und zur Zahlung auffordern ließ.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 09.09.2020 die offenen Forderungen am 09.09.2019, auf welche er seine Kündigung stütze, spezifiziert. 2014 habe der Beklagte im Juni, April und Dezember keine Zahlungen auf die Miete geleistet. Er meint, dass ergebe einen Rückstand von 7.140,00 EUR. 2015 habe der Beklagte im Februar, März und April nur die hälftige Pacht gezahlt - Rückstand 3.570,00 EUR. 2016 habe er im Mai einen Teilbetrag von 2.380,00 EUR nicht gezahlt. Für Oktober 2017 gelte das Gleiche. 2018 habe der Beklagte in Februar und März jeweils 2.380 EUR nicht gezahlt. Dies ergebe einen Zahlungsrückstand auf Pachtzahlungen von 20.230,00 EUR.
Betriebskostenvorauszahlungen habe er 2014 für 3 Monate jeweils 486,00 EUR - mithin 1.428,00 EUR - nicht gezahlt. 2015 sei auf drei Monate jeweils die hälftige Betriebskostenvorauszahlung geleistet worden - mithin hätten 714,00 EUR ausgestanden. Für 2016 und 2017 fehlten jeweils 486,00 EUR Betriebskostenvorauszahlungen...