Entscheidungsstichwort (Thema)
Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei monatelanger unpünktlicher Zahlung und fehlender Rückführung eines Saldos
Normenkette
InsO § 17 Abs. 2, § 130 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 13.10.2005; Aktenzeichen 3 O 202/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des LG Schwerin vom 13.10.2005 - Az: 3 O 202/05 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 73.111,55 EUR nebst Zinsen hierauf i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 9.6.2004 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Streitwert der Berufung: 73.111,55 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Rückzahlungsansprüche aufgrund einer Anfechtung von Zahlungen der Gemeinschuldnerin an den Sozialversicherungsträger geltend.
Mit Beschluss vom 1.6.2002 eröffnete das AG Rostock das Insolvenzverfahren über das Vermögen der R.R.M. und T. GmbH & Co. KG (nachfolgend Gemeinschuldnerin) aufgrund eines Eigenantrages vom 5.2.2002 und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Mindestens ab Mai 2000 zahlte die Schuldnerin die monatlich fälligen Beiträge nicht pünktlich, sondern jeweils mindestens einen Monat später, so dass sich regelmäßig Mitte des Monats ein Saldo von etwa 75.000 EUR ergab, welcher sodann kurzfristig auf ca. 35.000 EUR zurückgeführt, jedoch bis zur Stellung des Eigenantrages nie vollständig ausgeglichen wurde. Da die Schuldnerin den Beitrag für den Monat Mai 2000 nicht zahlte, leitete die Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen gegen sie ein. Um die Vollstreckung abzuwenden, trafen sie am 17.7.2000 eine Ratenzahlungsvereinbarung. Nachdem die Schuldnerin diese Vereinbarung nicht eingehalten hatte, erklärte die Beklagte sie mit Schreiben vom 18.8.2000 für hinfällig und kündigte an, die Vollstreckung fortzusetzen.
Der Kläger ficht folgende Zahlungen der Gemeinschuldnerin an:
- 5.11.2001 699,45 EUR
- 30.11.2001 35.258,05 EUR
- 18.12.2001 35.658,09 EUR
- 18.12.2001 1.495,96 EUR
- = 73.111,55 EUR.
Die Zahlungen seien, so der Kläger, innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Schuldnerin bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Die Beklagte habe bei Erhalt der Zahlungen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gehabt. Ihr seien jedenfalls hinreichend Umstände bekannt gewesen, aus denen sie zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hätte schließen müssen. Dies hätte sich ihr schon aus den ständigen Zahlungsrückständen bei der Beklagten erschließen müssen, da die Schuldnerin diese immer wieder erheblich hatte anwachsen lassen. Mit Blick auf die Strafbewehrtheit der Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen an den Sozialversicherungsträger hätte sich die Kenntnis des Vermögensverfalls aufdrängen müssen.
Die Beklagte behauptete, von einer Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis gehabt zu haben. Die Gemeinschuldnerin habe ihren Eigenantrag vielmehr damit begründet, dass ein weltweit agierender Konzern plötzlich als Vertragspartner ausgestiegen sei, so dass die Zahlungsunfähigkeit allenfalls plötzlich eingetreten sei. Die Gemeinschuldnerin habe ihre Arbeitnehmer seit längerem bei der Beklagten versichert. Diese habe stets nur Zahlungsverzögerungen von einem Monat zugelassen. Längere Verzögerungen hätten auch den angefochtenen Zahlungen nicht zugrunde gelegen.
Mit Urteil vom 13.10.2005 hat das LG Schwerin die Klage abgewiesen. Die Beklagte, so die Begründung, habe aus den gegebenen Umständen nicht schließen müssen, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sei. Insbesondere lege die Nichtbegleichung der Sozialversicherungsbeiträge nicht den Schluss nahe, dass die Schuldnerin andere höhere Verbindlichkeiten ebenfalls nicht beglichen habe. Auch eine Kenntnis der Zahlungseinstellung sehe das Gericht nicht. Aus Sicht der Beklagten habe nur eine Zahlungsstockung vorgelegen, weil die Gemeinschuldnerin über mindestens 15 Monate regelmäßig nur einen immer gleich hohen Zahlungsrückstand habe auflaufen lassen, den sie jeweils um etwa gleiche Beträge abgebaut habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das LG, so rügt er, habe die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 InsO übersehen, auf die er sich berufen habe. Auf diese sei die Entscheidung nicht eingegangen.
Er hält weiterhin die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 130 InsO für gegeben. Die Beklagte habe Kenntnis von Umständen gehabt, die zwingend auf das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Das LG habe sich nur alternativ mit einzelnen Anhaltspunkten beschäftigt, die für sich genommen jeweils noch nicht auf hinreichende Kenntnis schließen ließen. Diese seien vorliegend kumulativ gegeben. Zwar würdige das Gericht, dass regelmäßig über längere Zeit zögerlich gezahlt worden sei, lasse aber außer ...